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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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vorne.
    Menschenmengen machten Rydell nervös. Beziehungsweise nicht so sehr Menschenmengen an sich als vielmehr Gedränge.
    Alles zu eng, zu viele Leute, die einem zu dicht auf die Pelle rückten. (Irgendwer streifte seine Gesäßtasche und tastete nach der Brieftasche, die nicht mehr dort war.) Jemand streckte ihm diese langen, dünnen mexikanischen Dinger aus gebratenem Teig entgegen, wiederholte einen Preis auf Spanisch. Er merkte, wie sich seine Schultern allmählich verkrampften.
    Der Geruch hier unten ging ihm zunehmend auf die Nerven: 158
    Schweiß und Parfüm, nasse Sachen, gebratenes Essen. Er wünschte, er säße im Ghetto Chef Beef Bowl und könnte herausfinden, wofür der Laden seine dreieinhalb Sterne hatte.
    Er kam zu der Ansicht, dass er das nicht mehr lange ertragen würde, und hielt über die Köpfe der Menge hinweg Ausschau nach einer weiteren Treppe zur oberen Ebene. Dann doch lieber nass werden.
    Aber mit einem Mal öffnete sich die untere Ebene zu einem breiteren Bereich, die Menge strudelte nach beiden Seiten davon, hin zu Imbissbuden, Cafés und Geschäften, und da war der Bad Sector, direkt vor ihm, mit einem Anstrich, der für ihn wie altmodische Heizkessel-Alulackfarbe aussah.
    Er ließ die Schultern kreisen, um die vom Gedränge hervorge-rufenen Verspannungen zu lösen. Er schwitzte; sein Herz raste.
    Er zwang sich, ein paarmal tief durchzuatmen, um sich zu beruhigen. Was immer er hier für Laney erledigen sollte, er wollte es richtig machen. Wenn man mit den Nerven dermaßen zu Fuß war, wusste man nie, was passieren konnte. Ganz ruhig. Nur nicht die Beherrschung verlieren.
    Er verlor sie beinahe sofort.
    Hinter dem Tresen stand ein sehr korpulenter, beinahe kahl rasierter junger Chinese mit einem dieser Lippenbärtchen, die Rydell nicht ausstehen konnte. Wirklich ein sehr korpulenter Junge, mit dieser eigenartig glatt wirkenden Körpermasse, die darauf hindeutete, dass eine Menge Muskeln sein Gewicht trugen.
    Hawaiihemd mit großen malven-und pinkfarbenen Orchideen drauf. Antike Ray-Ban-Fliegerbrille mit Goldrahmen und selbstgefälliges Grinsen. Eigentlich lag es an diesem Grinsen.
    »Ich brauche ein Kabel«, sagte Rydell. Seine Stimme klang atemlos, und irgendwie gefiel es ihm nicht, dass sie so klang, und das gab den endgültigen Ausschlag.
    »Ich weiß, was Sie brauchen«, sagte der Junge und sorgte dafür, dass Rydell die Langeweile in seiner Stimme hörte.
    »Dann weißt du auch, was für ein Kabel ich brauche, ja?« Rydell 159
    war jetzt näher am Tresen. Gammelige Poster waren dahinter an-gepinnt, Werbeplakate für Sachen mit Namen wie Heavy Gear II und T’ai Fu.
    »Sie brauchen zwei.« Das Grinsen war jetzt verschwunden; der Junge tat sein Bestes, den harten Burschen zu mimen. »Eins ist das Stromkabel, mit eingebautem Transformator. Das stecken Sie in irgendeine Stromquelle oder Wandsteckdose. Glauben Sie, das kriegen Sie hin?«
    »Schon möglich«, sagte Rydell, trat ganz dicht an den Tresen heran und stellte die Füße fest auf den Boden, »aber erzähl mir was über das andere. Zum Beispiel, was genau verbindet es womit?«
    »Dafür werd ich nicht bezahlt.«
    Auf dem Tresen lag ein dünnes schwarzes Werkzeug. Eine Art Spezialschraubenzieher. »Nein«, sagte Rydell, nahm den Schraubenzieher in die Hand und prüfte seine Spitze, »aber du sagst es mir trotzdem.« Er packte den Jungen mit der anderen Hand am linken Ohr, ließ den Stiel des Schraubenziehers drei Zentimeter weit zwischen Daumen und Zeigefinger hervorstehen und steckte ihn dem Jungen ins rechte Nasenloch. Es war leicht, ihn am Ohr fest zu halten, weil er irgend so einen dicken Plastikstachel drin hatte.
    »Hnn«, machte der Junge.
    »Hast du Probleme mit den Nebenhöhlen?«
    »Nein.«
    »Könnte aber leicht sein.« Er ließ das Ohr los. Der Junge stand sehr still. »Du wirst dich doch nicht bewegen, oder?«
    »Nein...«
    Rydell nahm ihm die Ray-Ban ab und warf sie über die rechte Schulter. »Ich hab’s langsam satt, dass mich Leute angrinsen, weil sie irgend ‘nen Scheiß wissen, ich aber nicht. Kapiert?«
    »Ja, okay.«
    »Okay was?«
    »Einfach... okay?«
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    »Okay ist: Wo sind die Kabel?«
    »Unterm Tresen.«
    »Okay ist: Wo kommen sie her?«
    »Das Stromkabel ist ganz normal, aber Laborqualität: Transformator, Strom-Scrubber. Über das andere weiß ich nichts...«
    Rydell bewegte das Werkzeug ein paar Millimeter, und der Junge riss die Augen auf. »Nicht okay«, mahnte Rydell.
    »Ich hab keine Ahnung!

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