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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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hatte, und ein riesiges, hässliches Telefon in einer wulstigen schwarzen Gummihülle. Fontaine war verrückt nach alten Sachen, und früher hatte er hin und wieder mal ein Stück mitgebracht und es Skinner gezeigt.
    Manchmal hatte sie gedacht, er täte das nur, um den alten Mann zum Reden zu bringen, denn dann rückte Skinner mit seinen Geschichten aus. Er war kein großer Erzähler gewesen, aber wenn er so einen ramponierten Schatz von Fontaine in den Händen hin und her drehte, redete er, und dann saß Fontaine da, hörte zu und nickte manchmal, als bestätigten Skinners Geschichten einen lange gehegten Verdacht.
    206
    Nachdem er auf diese Weise Zugang zu Skinners Vergangenheit bekommen hatte, befingerte Fontaine die Objekte selbst mit neuer Erregung und stellte Fragen.
    Fontaine lebte in einer Welt der Dinge, so war es ihr vorge-kommen, der Welt der von Menschen hergestellten Dinge, und wahrscheinlich fiel es ihm leichter, sich ihnen – den Menschen – durch diese Dinge zu nähern. Wenn Skinner Fontaine keine Geschichte über irgendwas erzählen konnte, dachte sich Fontaine selbst eine aus, las aus der Form eines Gegenstands seine Funktion und aus der Art der Abnutzung seine Verwendung heraus.
    Das schien ihn zu erleichtern.
    Für Fontaine hatte alles eine Geschichte. Jedes Objekt, jedes Fragment enthielt die ganze Welt der künstlichen Dinge. Einen Chor von Stimmen, die Vergangenheit, die in allem lebendig war, dieses Meer, auf dem die Gegenwart einherschaukelte. Als er Skinners Zahnradbahn gebaut hatte, den Fahrstuhl, der wie eine kleine Cable Car das schräge Eisen des Turms hinaufkroch – die Hüfte des alten Mannes war so schlimm geworden, dass er nur noch mit Mühe hinaufkam –, hatte Fontaine eine Geschichte über die Herkunft jedes einzelnen Teils zu erzählen gehabt. Er verwob ihre Geschichten miteinander, fügte Strom hinzu, und das Ding fuhr klickend zur Luke im Boden von Skinners Bude hinauf.
    Jetzt steht sie da, schaut ins Fenster, auf diese Armbanduhren mit den fleckigen Zifferblättern, den reglosen Zeigern, und hat Angst vor der großen Geschichte.
    Fontaine wird sie auf andere Art darin einbauen, das weiß sie, und sie hat sich vor dieser Geschichte gedrückt.
    Durch die dicke Glasscheibe in der Tür – so dick, dass sie das Licht beugt, wie Wasser in einem Glas – sieht sie, dass in einem Raum hinter dem Laden Licht brennt. Dort ist eine weitere Tür, und die ist nicht ganz geschlossen.
    GESCHLOSSEN/CERRADO steht auf dem eselsohrigen Papp-schild, das an einem Duschhaken mit Saugnapf hinter der Glasscheibe hängt.
    207
    Sie klopft.
    Fast sofort wird die Innentür geöffnet. Die Silhouette einer Gestalt vor dem hellen Licht.
    »He, Fontaine. Ich bin’s, Chevette.«
    Die Gestalt kommt angeschlurft, und sie sieht, dass er es wirklich ist, dieser knochige Schwarze, dessen ergrauendes Haar zu unregelmäßigen Zweigen zusammengedreht ist, die wie die Äste einer staubigen, halb verdursteten Zimmerpflanze herabhängen.
    Als er um einen matt schimmernden Glastresen herumgeht, sieht sie, dass er eine Schusswaffe in der Hand hat, so ein altmodisches Ding mit einem Zylinder, der sich dreht, wenn die Kugeln ma-nuell abgefeuert werden, eine nach der anderen. »Fontaine? Ich bin’s.«
    Er bleibt stehen und schaut herüber. Tritt einen Schritt vor.
    Läßt das Schießeisen sinken. »Chevette?«
    »Ja..«
    »Moment.« Er kommt näher und späht zu ihr heraus, an ihr vorbei. »Bist du allein?«
    »Ja«, sagt sie mit einem Blick nach links und rechts.
    »Moment...«. Das Klappern von Schlössern, Riegel werden aufgeschoben, dann geht die Tür schließlich auf, und er blinzelt sie verdutzt an. »Du bist wieder da.«
    »Wie geht’s dir, Fontaine?«
    »Gut«, sagt er, »gut«, und tritt zurück. »Komm rein.«
    Im Laden riecht es nach Maschinenöl, Metallpolitur, geröstetem Kaffee. Tausend Dinge schimmern in den Tiefen von Fontaines Sedimentbank der Geschichte.
    »Ich dachte, du wärst in L. A.«, sagt er.
    »War ich auch. Aber jetzt bin ich wieder da...«
    Er schließt die Tür und verriegelt sie wieder, eine komplizierte Tätigkeit, die er jedoch auch im Dunkeln ausführen kann, vielleicht sogar im Schlaf. »Der alte Mann ist gestorben. Weißt du’s schon?«
    »Ja, ich weiß«, sagt sie. »Wie?«
    208
    »Einfach das Alter.« Er steckt das Schießeisen jetzt weg. »Wollte am Schluss nicht mehr aufstehen. Hat zusammengerollt im Bett gelegen, wie ‘n Baby. Ciarisse, die ist hingegangen und hat ihn

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