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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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hatte Laney anvertraut, dass Rez, den der Psychologe als Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung charakteri-sierte, es wohl auch kaum jemals tun würde. »Ich habe viele Leute kennen gelernt, die das haben, besonders in dieser Branche«, hatte der Psychologe gesagt, »aber mir ist keiner begegnet, der es gehabt hat.«
    Also war Laney an jedem Arbeitstag von einem Tokioter Kai in ein Schlauchboot gestiegen. Um über die graue, metallische Haut der Bucht zu jener namenlosen, kreisrunden Insel zu fahren und dort mit der Idoru zu interagieren (»sie unterrichten« war irgendwie nicht der richtige Ausdruck). Und dann hatte er sie, obwohl sie beide nichts dergleichen geplant hatten, in den Informations-strom mitgenommen, dorthin, wo er am meisten zu Hause war (oder vielmehr, am weitesten von seinem inneren Loch entfernt).
    Er hatte ihr sozusagen die Schliche und Wege gezeigt, wenngleich es Schliche und Wege waren, für die weder er noch sonst jemand Namen hatte. Er hatte ihr Knotenpunkte in diesem Strom gezeigt, und sie hatten gemeinsam zugesehen, wie daraus Veränderungen hervorgegangen und in die physische Welt übergesprungen waren.
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    Aber er hatte sie nie gefragt, weshalb sie Rez denn nun eigentlich »heiraten« wollte, und er bezweifelte, dass sie es wusste – jedenfalls in dem Sinne, wie man normalerweise etwas weiß. Sie fuhr einfach fort zu werden, zu sein, mehr zu sein. Präsenter zu sein. Und Laney verliebte sich in sie, obwohl sie, wie er durchaus wusste, dazu konstruiert war, dass er (und alle Welt) sich in sie verliebte. Als potenzierte Widerspiegelung des Begehrens war sie ein Gemeinschaftsprodukt; in dem Maße, wie ihre Designer gute Arbeit geleistet hatten, war sie ein Tagtraum, ein Liebes-objekt, das einer Annäherung an das globale Unbewusste der Massen entsprungen war. Und Laney war klar, dass es dabei nicht nur um sexuelles Begehren ging (obwohl er das zu seiner großen Verwirrung natürlich auch verspürte), sondern darum, dass auf echte und anfänglich schmerzhafte Weise sein Herz geöffnet wurde.
    Er liebte sie und begriff in seiner Liebe zu ihr, dass sich sein elementarstes Verständnis der möglichen Bedeutung dieses Wortes geändert und dabei jede frühere Konzeption ersetzt hatte. Es war ein vollständig neues Gefühl, und er hatte es ganz für sich behalten, es mit niemandem geteilt, schon gar nicht mit der Idoru.
    Und dann, ziemlich am Ende dieser Phase, hatte der schüchterne, lächelnde, auf seine sanfte Weise ungreifbare Cody Harwood, jemand, an dem Laney nie das geringste Interesse verspürt hatte, nach und nach von ihm Besitz ergriffen. Harwood, der auf seinen Fotos meist wie eine postmillenniale Synthese von Bill Gates und Woody Allen aussah, war für Laney vorher nie mehr gewesen als die Quelle einer unbestimmten Irritation, eine jener vertrauten Ikonen, die regelmäßig an den Medienhorizonten auftauchen und dann wieder verschwinden, bis sie das nächste Mal erscheinen. Laney hatte keine Meinung zu Harwood gehabt, es kam ihm nur so vor, als hätte er ihn sein ganzes Leben lang immer wieder gesehen, ohne so Recht zu wissen, warum, und das nervte ihn auf unbestimmte Weise.
    Doch als er sich länger in jenen Bereichen des Stroms aufhielt, 215
    die mit Harwood und den Aktivitäten seiner Firma, Harwood Levine, zu tun hatten, war ihm deutlich geworden, dass dies ein Herd von Knotenpunkten war, eine Art Metaknoten, und dass dort auf eine für ihn undefinierbare Weise etwas sehr Bedeutsames geschah. Seine zwanghafte Beschäftigung mit Harwood und allem, was zu Harwood gehörte, hatte ihn zu der Erkenntnis gebracht, dass die Geschichte ebenfalls der nodalen Sicht unterworfen war, und die Version der Geschichte, in die Laney dort Einblick bekam, hatte wenig bis nichts mit allgemein anerkannten Versionen gemein.
    Man hatte ihm natürlich beigebracht, dass die Geschichte ebenso tot war wie die Geografie. Dass Geschichte im älteren Sinn ein historisches Konzept war. Geschichte im älteren Sinn war narrativ, sie bestand aus Geschichten, die wir uns darüber er-zählten, woher wir gekommen waren und wie es dort gewesen war, und diese Erzählungen wurden von jeder neuen Generation revidiert, das war immer so gewesen. Geschichte war plastisch, war eine Frage der Interpretation. Daran hatte das Digitale eigentlich nichts geändert; es hatte es vielmehr so offensichtlich gemacht, dass man es nicht mehr ignorieren konnte. Geschichte bestand aus gespeicherten Daten, und die waren der

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