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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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gebracht.«
    »Wohnst du jetzt hier, Fontaine?«
    »Ja«, sagt er. »Komm mit Ciarisse nicht klar.«
    »Wie geht’s deinen Kindern?«
    »Mit denen ist alles okay. Zum Teufel, mit Tourmaline ist auch alles okay, jeder andere wäre zufrieden, nur sie nicht. Das heißt, ich kann einfach nicht mit ihr zusammen leben, verstehst du, aber gesundheitlich geht’s ihr recht gut.«
    Chevette nimmt das Damaszener Stiefelmesser in seiner Scheide und versucht, es in die mit einem Reißverschluss versehene Innentasche von Skinners Jacke zu stecken. Passt, wenn man den Reißverschluss so weit wie möglich zuzieht, um es aufrecht zu halten. »Was macht er mit deinem Notebook?«
    »Armbanduhren suchen. Ich hab ihn drauf gebracht, sich die Netz-Auktionen anzusehen, aber inzwischen schaut er sich überall um. Er kommt an Sachen ran ... keine Ahnung, wie er das anstellt.«
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    »Willst du ihn hierbehalten?«
    Fontaine runzelt die Stirn. »Hatte ich eigentlich nicht vor.«
    Chevette steht auf, streckt sich, sieht in der Erinnerung, wie der alte Mann, Skinner, sich in seinem Bett in der Bude oben auf dem Kabelturm aufsetzt. Das Dancer von Creedmore hat längst seine Wirkung verloren und nur eine leichte Müdigkeit hinterlassen.
    Langer Tag. Sehr langer Tag. »Wir schlafen in einem Van am unteren Ende der Folsom«, sagt sie.
    »Du und wer noch?«
    »Tessa. Freundin von mir.«
    »Weißt ja, dass du gern hier bleiben kannst.«
    »Nein«, sagt sie, »Tessa wird sich Sorgen machen. Ich bin froh, dass ich dich gesehen hab, Fontaine.« Sie zieht den Reißverschluss der Jacke zu. »Danke, dass du sein Messer aufbewahrt hast. «Welcher Geschichte sie auch immer ausgewichen sein mag, sie ist auch jetzt nicht darauf gestoßen. Sie ist nur müde; sonst empfindet sie gar nichts.
    »Dein Messer. Für dich gemacht. Er wollte, dass du’s kriegst.
    Hat er mir gesagt.« Jetzt blickt er unter seinen spärlichen grauen Dreadlocks auf. Und sagt leise: »Haben uns gefragt, wo du bist, weißt du?«
    Ihr Problem mit der Geschichte, und wie weh das tut.
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PANOPTIKUM
    aneys Reise durch sämtliche Daten der Welt (oder die Reise Ldieser Daten durch
     
    ihn) ist schon längst nicht mehr nur das, was er tut, sondern das, was er ist.
    Hier macht ihm das Loch, diese Leere im Kern seines Wesens, nicht mehr zu schaffen. Er ist ein Mann mit einer Mission, obwohl er sich selbst gegenüber bereitwillig zugibt, dass er keine echte Vorstellung davon hat, worin diese Mission letztendlich besteht.
    Alles hat mit seinem »Interesse« an Cody Harwood begonnen, überlegt er, während er in der embryonalen Dunkelheit seiner Papphütte den Hustensirup hinunterkippt. Die ersten Ansätze des so genannten Lautloser-Jäger-Syndroms, das, wie man an-nahm, schließlich jede Versuchsperson befallen würde, der man jemals 5-SB verabreicht hatte. Seine anfängliche Reaktion hatte natürlich darin bestanden, es zu leugnen: Das konnte ihm nicht passieren, nicht nach all den Jahren. Er interessierte sich für Harwood, und das aus gutem Grund; sein Gefühl für die Knotenpunkte, jene Punkte, von denen Veränderungen ausgingen, hatte seine Aufmerksamkeit wiederholt auf Harwood gelenkt. Es lag nicht so sehr daran, dass er sich auf Harwood konzentrierte, als vielmehr daran, dass alles zu Harwood hinschwang, sanft, aber unausweichlich, wie eine Kompassnadel.
    Sein Leben war zu dieser Zeit an einem toten Punkt angelangt: Vom Management von Lo/Rez, der Popband, dazu engagiert, die »Ehe« des Sängers Rez mit dem virtuellen japanischen Star Rei Toei zu erleichtern, hatte Laney sich an ein Leben in Tokio ge-213
    wohnt, in dessen Zentrum Besuche auf einer privaten, künstlich angelegten Insel in der Bucht von Tokio standen, einem teuren kleinen Hubbel aufgeschütteten Erdreichs, auf dem Rez und Rei Toei eine Art neue Realität ins Leben rufen wollten. Dass Laney nie so recht imstande gewesen war, die Natur dieser Realität zu er-fassen, hatte ihn nicht überrascht. Rez machte, was er wollte, er war sehr wahrscheinlich der Letzte der prä-posthumanen Mega-stars, und Rei Toei, die Idoru, war ein emergentes System, ein Ich, das fortwährend vom Erfahrungsinput iteriert wurde. Rez war Rez und deshalb schwierig, und Rei Toei war jener Fluss, in den man nicht zweimal steigen kann. Während sie durch den Input von Erfahrungen, durch menschliche Interaktion zunehmend sie selbst wurde, entwickelte und veränderte sie sich. Rez jedoch nicht, und ein vom Management der Band beauftragter Psychologe

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