Fyn - Erben des Lichts
Königs ein kleines Menschendorf angegriffen? Breanor hatte mir erzählt, die Menschen nahe der Grenze zu Elvar hätten bereits kapituliert, bevor der Krieg richtig begonnen hatte. Alles nur eine Lüge? Meine Wut steigerte sich, ließ mir heißes Blut in den Kopf steigen und schnürte mir die Kehle zu. Zugleich schämte ich mich bis auf die Knochen, dass ich nicht nur Teil, sondern auch Verfechter eines Systems gewesen war, das auf Willkür und Unterdrückung aufbaute. Mehr denn je wünschte ich mir, möglichst viel Abstand zwischen mich und den Perlenturm zu bringen, um eines Tages zurückzukehren und Rache zu üben …
Wir ließen das Dorf hinter uns, und wieder streiften nichts als Felder, Wiesen und kleine Gehöfte unsere Blicke. Als es Abend wurde, förderte Ylenia aus ihrem Rucksack ein Zelt zutage, das wir hinter einem dichten Brombeerstrauch aufschlugen. Arcs Kniegelenk quietschte und ich versorgte ihn notdürftig, noch ehe ich mir selbst ein wenig Ruhe gönnte. Der Technoid trug in einem Fach unter seinem Arm immer einige kleine Werkzeuge bei sich, falls ein Notfall verlangte, einen Schaden unverzüglich zu reparieren. Ich nahm an, er war genauso dankbar dafür wie ich. Arc hatte sich den ganzen Tag über nicht beklagt, sich nicht einmal in unsere sporadischen Unterhaltungen eingemischt. Ich fühlte mich schlecht deswegen, obwohl ich wusste, dass es Arcs Bestimmung als Technoid war, seinen Meistern zu dienen. Vermutlich kannte er nicht einmal das Gefühl von Groll. Dennoch bedachte er mich gelegentlich mit einem Blick, der mir seltsam wissend vorkam und den Eindruck vermittelte, dass er sich über die Geschehnisse Gedanken machte.
Nachdem wir ein karges Mahl zu uns genommen hatten, überfiel uns bleierne Müdigkeit und wir legten uns ins Zelt. Es war schmal, gerade groß genug für zwei Personen, wenn sie dicht nebeneinanderlagen. Unser Gepäck verstauten wir unter der Karre, die wir zuvor umgekippt hatten, sodass unter ihr ein Hohlraum entstand. Arc kauerte sich an einen Baum und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich ihm gern ein wenig Gesellschaft geleistet.
Als ich am Morgen erwachte, lag Ylenia bäuchlings mit dem Oberkörper auf mir, was mich derart erschreckte, dass ich eine unwirsche Bewegung machte, die sie weckte. Sie schien nicht halb so überrascht wie ich darüber, dass sie mir des Nachts derart nahe gekommen war. Sie warf mir nur einen Blick zu und grinste auf eine Art, die ich nicht deuten konnte.
Schweigend nahmen wir unser Frühstück ein, verstauten das Zelt wieder in unserer Karre und gingen weiter. Meine Muskeln schmerzten und ich fühlte mich, als wäre eine Dampfwalze über meinen Körper gefahren. Ich hatte noch nicht wieder zu alter Stärke zurückgefunden. Die Tage im Keller – und natürlich auch die Tage im Grab, Sinjar bewahre! – hatten mich geschwächt. Ich hoffte inständig, dass wir bald Evensedge erreichen würden, wo Ylenia uns ein Pferd zu kaufen gedachte.
Wir reisten noch drei weitere gleichförmige Tage, die uns den Komfort einer festen Behausung vermissen ließen. Wir wuschen uns notdürftig in fließenden Gewässern und versuchten, nicht an unsere schmerzenden Füße zu denken. Das Wetter schlug um, dichte Wolken hingen in den Tälern Nordcalaniens. Auch unsere Umgebung wandelte sich. Wo uns zuvor grüne Wiesen und saftige Felder entzückt hatten, mischten sich nun mehr und mehr steinige Hügelkuppen und Nadelbäume ins Landschaftsbild. Bewirtschaftete Felder sah man nur noch selten, stattdessen kamen wir nun häufiger an den verlassenen Ruinen von Bauernhäusern vorbei. Schon vor zwei Tagen mussten wir auf die Hauptstraße zurückkehren, denn sie war die einzige Verbindung zwischen dem Süden und den Städten des Nordens, in die alle Wege früher oder später mündeten. Zumindest war sie breit und gut planiert, sodass ich nicht ständig darauf achten musste, nicht über Steine und Wurzeln zu stolpern. Natürlich barg sie auch Gefahren, denn öfter als auf den Nebenstraßen begegnete man Reisenden, Geschäftsleuten oder Gütertransporten. Zumindest das südliche Ende der Hauptader war asphaltiert, denn Automobile verkehrten nicht selten zwischen Elvar und den anderen, von wohlhabenden Alven bewohnten Städten. Meine Füße dankten es mir.
Mit Nervosität blickte ich dem Moment entgegen, wenn wir die Barrowschlucht erreichen würden. Was dahinter lag, kannte ich nur aus meinen Büchern. Weiter als bis zur Schlucht war
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