Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
standen die Frauen unter einem besonderen Schutz. Genauso in der Kindererziehung. Den Frauen wurden viel mehr Kompetenzen zugestanden als den Männern. Doch das war auch im Begriff sich zu relativieren. Es gab schon jetzt einige Väter, die das Recht hatten zuhause zu bleiben und die Kinder zu erziehen, während ihre Frauen arbeiten gingen.
Das war nie mein Ziel gewesen, also stieß ich auch nie irgendwo an. Aber viele Väter kämpften verbissen mit ihren Frauen um dieses Recht und mittlerweile waren auch einige Frauen bereit sich zumindest auf Kompromisse einzulassen.
In mir begann sich eine Frage zu regen. Die neue Generation, die die vielleicht auch noch ein wenig jünger war als ich wurde ja ganz anders erzogen, als die Menschen, die sie erzogen. Würde sich das Gemeindeleben sehr verändern, wenn so Menschen wie Rhuni nicht mehr lebten? Gnade der Göttin! Ich wollte nicht, dass unsere Älteste starb! Sie war eine weise Anführerin und wusste meist, was das Beste für den Clan war. Aber dennoch gab es in unserer Gesellschaft, übrigens synchron zur Gesellschaft außerhalb des Clans, eine neue Mentalität! Jedoch liefen diese Mentalitäten entgegengesetzt zueinander, denn während sich die Frauen an Universitäten zum Beispiel immer mehr durchsetzten, waren es hier die Männer die um die Gunst ihrer Kinder kämpften.
„Alex?“ Thomas tippte mir von hinten an die Schulter.
„Thomas?“ Er hielt mir die Zeichnung auf Augenhöhe, sodass ich nicht umhin kam sie zu bewundern. Er konnte wirklich genau und detailgetreu zeichnen.
„Hast du etwas herausgefunden?“, fragte Thomas dann interessiert.
„Nichts, das wir nicht schon wüssten.“, entgegnete ich ausweichend.
Wir verbrachten noch eine ganze Weile in der Kathedrale, dann kam Rhuni zu uns.
„Herr Moch.“, sagte sie, ohne auch nur einen Hauch Wertung in ihrer Stimme zu haben.
„Älteste.“ Thomas verneigte sich leicht als Zeichen der Anerkennung ihrer Autorität.
„Wir müssen uns nun auf die tägliche Zeremonie vorbereiten.“ Sie sah Thomas eindringlich an, erläuterte aber nichts weiter.
„Oh natürlich!“, rief Thomas, als er verstand.
„Vielen Dank für Ihr Interesse.“, sagte Rhuni und klang dabei wie eine Verkäuferin.
„Nein, danke, dass wir kommen durften. Sehr großzügig, wirklich. Darf ich fragen, was das für eine Zeremonie ist?“ War ja klar, dass er einen Versuch wagen musste.
Rhuni sah ihn nur stumm an. Ihr Blick galt nur ihm und in keinster Weise mir, doch ich fühlte mich innerlich schuldig, ihn nicht zum Schweigen verdonnert zu haben.
„Ich verstehe…“, sagte Thomas dann, als Rhuni keinerlei Anstalten machte, auf die Frage einzugehen.
„Nun denn, dann gehen wir mal. Ich nehme an, dass wir uns noch eine Weile im Dorf aufhalten dürfen?“ Es war selbstbewusst formuliert, doch sogar ich konnte die Unsicherheit in seiner Stimme hören.
„Natürlich, Herr Moch.“
Die Älteste begleitete uns bis vor die Tür und verschloss sie dann.
„Faszinierende Frau! Die hat ja ein Selbstbewusstsein! Und Ihre Beherrschung ist der Wahnsinn. Hast du gemerkt, dass sie uns immer Beobachtet hatte? Obwohl sie mit den Kindern beschäftigt war?“
„Mich wundert es, dass du es bemerkt hast, wo du doch so gefesselt von der Statue warst.“, entgegnete ich überrascht.
„Ein wahrer Forscher muss seine Augen überall haben. So, dann lass uns mal… da lang gehen.“ Thomas entschied sich scheinbar willkürlich für eine Straße. Wir kamen an einer Sporthalle vorbei und hielten direkt auf den Löwenbogen zu, wie ich wusste. Ich hoffte nur, dass er nicht auf die Idee kommen würde, den Boden untersuchen zu wollen. Oder zumindest, dass er nichts merken würde wenn er durch ihn hindurch ginge. Ich wusste nicht mehr wann die Gestaltwandler ihren Unterricht hatten, also war es durchaus möglich, dass wir mit ihnen zusammenstießen.
Wie erwartet, fing der Steinbogen Thomas Aufmerksamkeit ein. Er hielt zielstrebig auf ihn zu. Ich musste mir dringend eine Ausrede einfallen lassen.
„Thomas, wie lange willst du noch bleiben? Ist schon recht spät.“, murmelte ich.
„Noch den Boden angucken, dann können wir gehen.“, erwiderte er abgelenkt.
„Hm…“, murmelte ich resignierend. Kreativität war noch nie meine Stärke gewesen.
Thomas betrachtete den Torbogen ganz genau so, wie er die Statue betrachtet hatte, dann nahm er Seidenpapier aus seinem Rucksack und begann die vielen kleinen Reliefs durchzupausen. Ich wartete
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