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Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)

Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)

Titel: Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fricke
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erkennen, als wäre an dieser Stelle einmal mehr gewesen, als nur die hübschen Rundungen eines weiblichen Beckens. 
    „Was meinst du, bedeutet das?“, fragte ich erstaunt.
    „Die Statue ist nicht vollständig. Irgendwas fehlt an ihr. Weißt du, ob der Clan etwas darüber weiß?“, fragte er dann.
    „Nein… also nein, er weiß nichts darüber.“
    „Sicher?“
    „Hundertpro.“
    „Faszinierend.“ Thomas fuhr langsam mit seiner behandschuhten rechten Hand über die alte Bruchkante.
    „Was auch immer hier war, es war mindestens so groß, wie dieser Teil der Skulptur… Und… es schien aus einem anderen Stein gefertigt zu sein.“
    „Das kannst du alles an dieser alten abgewetzten Kante erkennen?“, fragte ich ungläubig.
    „Natürlich. Man muss alles genau beobachten können, als Forscher. Sieh nur. Auch in der Gestalt,“ Thomas wich einige Schritte weiter zurück, „sie, und es handelt sich hier eindeutig um eine sie, gebärdet sich etwas zur Seite, siehst du?“ Er sah mich fragend an, während er mit seinem ganzen Körper die Gestik der Statue nachahmte.
    „Ja irgendwie schon…“ Ich sah genauer hin. Thomas hatte wieder recht. Die Frau, wenn man sie noch als das bezeichnen konnte, bog sich in der Mitte, wohl auf Taillenhöhe wie in einem Bogen nach links, sodass ihre Hüfte, wenn es denn eine Hüfte war, an das Stieß, was dort fehlte. Thomas deutete begeistert an verschiedene Punkte an der Seite der Statue.
    „Hier… hier… hier… haben sich die beiden Gebilde berührt.“ Schulter, Seite, Hüfte, Beine (oder war davon noch übrig war, eher Oberschenkel). 
    „Beeindruckend, dass du das so sehen kannst.“, bemerkte ich.
    „Ich werde gleich eine Skizze anfertigen. Darf ich Fotos machen?“, fragte Thomas ganz euphorisch.
    Mein Blick glitt kurz zu Rhuni hinüber, die umringt von einer kleinen Gruppe Kindern Geschichten erzählte. Sie schien meinen Blick zu spüren und schüttelte den Kopf, dabei sah sie mich aus den Augenwinkeln an. 
    „Nein, das ist nicht erlaubt.“
    „Schade.“
    Thomas machte sich an seinem Rucksack zu schaffen und kramte einen großen Skizzenblock und ein Etui mit vielen Stiften hervor, die für mich alle gleich aussahen, aber bestimmt spezielle Funktionen hatten.
    „Geh du mal bitte durch den Raum und unterhalte dich mit den Clanleuten. Vielleicht bekommst du ja was aus denen heraus.“ Thomas winkte abwesend mit der Hand. Er wollte seine Ruhe haben. 
    Es war schön, mal wieder hier zu sein. Seit ich an der Uni arbeitete, kam ich nur noch selten hier her. Ich besuchte zwar öfter mal meine Eltern (zu den Feiertagen natürlich), aber in die Kathedrale hatte es mich nie verschlagen. Nun, wo ich wieder hier war, fielen mir einige Fragmente aus meiner Initiation und meinem Novizenleben wieder ein. Ich hatte bei einer Ältesten namens Malena Unterricht. In meinem Jahrgang war ich der einzige Bändiger gewesen. Außer mir gab es noch eine Wasserbändigerin, aber sie war fünf Jahre älter als ich. Und es gab eine Familie die Elektrizität bändigen konnte, nur leider konnten sie keine Kinder bekommen. Also hatte ich Einzelunterricht. Malena war die Großmutter der Wasserbändigerin. Ihre Tochter war sehr früh gestorben und so hatte sie ihre Enkelin großgezogen. Was mit dem Vater war, weiß ich nicht. 
    Mein Blick glitt an den Wänden entlang. Außer mit hübschen Kerzenleuchtern und ein paar moderneren Lampen, waren sie nicht verziert.
    Als ich an Rhuni vorbei kam, hörte ich einige Fetzen aus der Geschichte, die sie den Kindern erzählte. Sie handelte von einem Mann, der sich vor langer, langer Zeit aufmachte, um sich das Recht zu verdienen in den Ältestenrat zu kommen. Rhuni benutzte diese Geschichte immer, um den Kindern beizubringen, dass Männer genau so viel wert waren wie Frauen und wie schwer sie es in den letzten hundert Jahren gehabt hatten, um sich die Stellung zu erkämpfen, die sie nun innehatten. Ich musste schmunzeln, weil ich nun schon so lange außerhalb des Clans lebte und dort die Verhältnisse verkehrt waren. Was für eine seltsame Welt.
    Ich fühlte mich als Mann zwar im Clan nicht diskriminiert, aber ich hatte auch nie versucht eine höhere Position dort zu erklimmen. Wir sind gleichwertig, so zu sagen. Zwar wird der Frau noch immer einen etwas höheren Stellenwert zugesprochen, das lag aber einfach an der Biologie. Frauen konnten Kinder gebären und brauchen dafür eine gewisse Zeit. Für diese Zeit, eine außerordentlich wichtige Zeit,

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