Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
anscheinend…
Völlig versunken hob ich einen Zweig vom Boden auf und drehte ihn zwischen den Fingern.
Aber warum eigentlich? Es gab schon mal ein Mädchen, das mich toll gefunden hatte. Das war nicht so komisch gewesen. Aber bei James?
Es fühlte sich an, als hätte er sich abrupt mehrere Meter von mir entfernt. War ich jetzt alleine? Sollte ich James sich selbst überlassen, damit er über mich hinweg käme? Was sollte ich nur tun? Er konnte da ja nichts für, doch was war das Beste für uns alle?
James hatte Mut bewiesen, es mir so direkt zu sagen. Respekt. Nun war es wohl an mir Mut zu beweisen.
Mein Blick glitt gedankenverloren über die spielenden Kinder. Zwei Jungen, die sich gegenseitig mit Sand bewarfen. Ach könnte das Leben nur wieder so einfach sein wie als Kind.
Ich lachte schnaubend. Wo war die Zeit, in der das größte Problem noch war, dass ich vormittags kein Fernsehen schauen durfte.
Wieder zurück zu James. Ich sollte zu ihm gehen und ihm sagen, dass ich ihn nicht verurteilte. Oder war das zu übertrieben? Naja, James sollte schon Verständnis für meine Situation jetzt haben.
Hmm… Wahrscheinlich hatte er genau das. Er war schon irgendwie perfekt.
Plötzlich ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass es vielleicht gar nicht so komisch sei, wie ich dachte. Vor mir entblößte sich plötzlich ein neuer Weg. Sollte ich ihn beschreiten?
Abrupt stand ich von der Schaukel auf. Die Ketten klirrten und die rostigen Scharniere am Balken knarrten unheilvoll. Die Augen der Wachfrauen waren auf mich geheftet.
Ich stapfte mit schweren Schritten aber voller Überzeugung wieder Richtung James. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich weg gewesen war, aber die Haustür war noch offen. Ganz wie eine Einladung oder ein Hoffnungsschimmer.
„James?“, rief ich mit zitternder Stimme, als ich die Küche betrat. Im Wohnzimmer hörte ich Bewegungen. James erschien im Türrahmen zur Küche und lächelte mich unsicher an.
„Schön, dass du wieder da bist.“, sagte er dann kaum vernehmbar.
„Ja… Tut mir leid.“ Ich fühlte mich, wie ein ungezogenes Tier, das schuldbewusst zu seinem Herrchen ging, um sich seine gerechte Strafe abzuholen.
„Das sagtest du bereits.“, erwiderte James nun etwas lockerer.
„Nein… ich meine ja… du weißt schon. Ich habe überreagiert.“, gestand ich.
„Sagte ich doch.“ James zwinkerte und das freche Grinsen, das sein Gesicht sonst so gerne zierte, war für einen Moment zu sehen.
„Ich wollte dir nicht wehtun.“
Irgendwie kamen mir unsere Rollen vertauscht vor. Er ist der große Lehrmeister, der mich immer aufpäppeln musste, doch jetzt schien er so viel kleiner als ich zu sein. Ich hatte die Macht. Die Macht ihm wehzutun oder ihm Erlösung zu schenken. Ein seltsames Gefühl.
„Das hast du nicht. Ich wusste, wie du reagieren würdest.“ Er grinste mich nun vielsagend an. Das war der James, den ich kannte.
„Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.“, gestand ich und zuckte verlegen mit den Schultern.
„Ganz normal. Ich bin ein Mensch wie du.“, antwortete er mit sanfter Stimme.
„Das… das meine ich nicht. Diese Homogeschichte ist okay. Kein Ding. Gewöhnung und so. Ich meine viel mehr das… andere.“ Ich konnte es nicht aussprechen, es klang so absurd und es wäre viel zu real, wenn ich sagen würde, dass… naja…
„Achso. Jasper… Es tut mir leid. Dir geht es nicht gut und ich hätte dich damit nicht belasten sollen.“
„Nein!“ Ich unterbrach James, „du hast gesagt, es musste raus und nun ist es raus, fertig. Kein Leidgetue mehr okay?“ Ich sah James lächelnd an. Das klang lockerer, als ich mich fühlte.
„Hast du Fragen an mich, großer?“, fragte James dann.
„Nein so direkt…“ Ich überlegte einen Moment, „seit wann?“
„Ich bin in dich verliebt, seit ich dich auf der Messe gesehen habe. Ich dachte es geht wieder weg, aber stattdessen bist du zu uns gekommen.“, erklärte er, „und geoutet habe ich mich nie wirklich. Nicht öffentlich. Meine Familie weiß Bescheid, aber niemand auf der Arbeit und nur ganz wenige Freunde.“ Er sah sachlich aus. Wie als wenn er unser Projekt auf einer Konferenz vorstellen würde.
„Okay… Wieso ich?“, fragte ich dann.
„Wieso Fynia?“, erwiderte James.
„Ich weiß es nicht… sie ist perfekt…“, antwortete ich.
„Da hast du deine Antwort.“ Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, was genau er meinte.
„Ich bin nicht perfekt, Jim.“
„Tja…wo die
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