Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
gleiche Schule wie ich, nämlich außerhalb. Rhuni nickte Amanda zufrieden zu.
„Das ist ganz wichtig, für jeden von uns. Die Menschen, die nicht zu uns gehören, können uns nicht verstehen. Wir haben früher, vor mehr als hundert Jahren, unsere Gabe ganz natürlich und öffentlich gezeigt. Die Folgen waren schrecklich. Vielleicht wissen schon einige von euch, was die Hexenverfolgungen waren. Man hat uns für böse Menschen gehalten und uns getötet, weil wir Dinge konnten, die für den Rest der Welt unvorstellbar waren. Deswegen ist unser höchstes Gebot Geheimhaltung!“ Sie sagte dies mit Nachdruck und sah uns streng an. Kein Lächeln berührte die strengen Falten um Mund und Augen.
„Aber er ist doch mein Papa…“, warf Russel mit piepsiger Stimme verzweifelt ein.
„Trotzdem. Kein Außenstehender darf etwas von unseren Gaben erfahren. Auch nicht, wenn sie zur Familie gehören.“ Rhuni sah erst Russel sehr lange an, dann Amanda. Diese nickte bestätigend.
„Amanda weiß, wovon ich spreche. Sie hat einen großen Bruder. Er ist schon siebzehn und hat keine Gabe. Er hat keinen Glauben. Als es an der Zeit war, dass die Gabe sich zeigen sollte, veränderte sich an ihm nichts. Im Laufe seiner Jugend entfernte er sich immer mehr von uns. Er gehört nicht richtig zu uns.“ Erklärte Rhuni und sah Amanda mitfühlend an.
„Er kann niemals an unseren Treffen hier teilnehmen und wird nie das Wunder erleben, das ihr alle erlebt habt. Trotzdem sollt ihr ihn nicht schräg angucken. Er ist ein Kurenai, genau wie ihr. Kurenai sein hat etwas mit Leben und Lebensart und Geburt zutun. Er wird für immer einer vom Clan sein, auch wenn er niemals im Clan ist. Verstanden?“ Rhuni betrachtete die vielen jungen Gesichter um sie herum. Wir nickten.
„Gut, dann könnt ihr zu euren Lehrern gehen. Die Bändiger, das sind Russel, Elisa, Mimi und Kevin, gehen bitte zu Karla. Ihr findet sie links vom Dorfplatz im Sportpark.“ Die genannten Kinder standen auf und sahen sich unsicher um. Elisa, die älteste nahm Russel bei der Hand und zog ihn aus der Menge. Die anderen folgten den beiden.
Ich sah Luna erwartungsvoll an und sie erwiderte meinen Blick. Wir kannten den Sportpark. Eigentlich war es nur eine Wiese und eine kleine Lagerhalle, in der Geräte waren und eine Laufbahn und eine Sprunggrube. Der Vorteil war, man kam nur mit Erlaubnis eines Lehrers dort hinein, also mit der Grundschulklasse des Dorfes oder mit Rhuni oder einem ihrer Ältesten. Außerdem war es von hohen Büschen und einer Backsteinmauer umgeben.
„So, Ruben, Clara, Mareike und Joschi gehen auch zum Sportpark, aber ihr geht bitte in die kleine Aula. Dort trefft ihr Jessica, sie wird euch beibringen, wie man Illusionen heraufbeschwört und in Träumen handelt.“
Wieder standen die genannten Kinder auf, dieses Mal aber etwas sicherer, und verließen die Kapelle.
„Ich bin so aufgeregt!“, flüsterte Luna neben mir und zupfte an meinem Ärmel.
„Ich auch.“, flüsterte ich begeistert zurück.
„Jakob und Lena kommen gleich mit zu mir und meiner Gruppe, sie sind Seher. Und der Rest, also Fynia, Luna, Andy, Sascha und Anastasia gehen zu Harry. Er wartet am Waldrand auf euch. Wisst ihr wo? Da wo die große Straße Endet und der Torbogen mit den Löwen ist.“
Mit Feuereifer sprangen Luna und ich als erste auf und rannten direkt los. Die anderen schlossen sich uns an. Ich verschwendete keinen Blick mehr für die Kapelle oder Rhuni oder gar den beiden Sehern.
Ich konnte es kaum erwarten, mich wieder in einen Wolf zu verwandeln. Zwar war es die letzte Woche über mehrfach passiert und immer zu äußerst unpassenden Gelegenheiten wie zum Beispiel in der Badewanne, aber es kontrolliert einsetzen und zu lernen damit umzugehen, das weckte den Eifer in mir. Trotzdem hatte ich auch etwas Angst vor diesem Harry.
Am Torbogen angekommen, nahm ich wie selbstverständlich Lunas Hand. Sie drückte meine und zusammen gingen wir hindurch, wie als würden wir nun in eine andere Welt eintreten.
Und in der Tat, als wir durch den Torbogen traten, drangen fremde Geräusche an unsere Ohren. Verdutzt blieben wir stehen, sodass die Kinder, die uns nachfolgten mit uns zusammenstießen.
„Aua… Pass doch auf!“, beschwerte sich Sascha laut.
„‘tschuldigung…“, murmelte ich.
Vor uns breitete sich eine unglaubliche Szene aus. Wir alle starrten auf das Spektakel, das sich uns bot und waren entzückt und verängstigt zugleich.
Ich sah als erstes den
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