Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
Anwesenden in die Welt schauen und alle ihre Gedanken hören, ihre Verwirrung teilen, nur Harry blieb stumm.
Als wir alle über Sascha miteinander vernetzt waren, schallte wieder Harrys Brüllen durch meinen Kopf. Er hätte gar nicht viel lauter sprechen müssen als sonst, aber er brüllte über alle Stimmen hinweg.
„Behaltet eure verdammten Gedanken bei euch, das macht einen ja irre hier!“ Sofort verstummten zwei Stimmen, von Luna und Anastasia, der Rest stellte die gleiche Frage wie ich:
„Und wie?“
„Versucht euch abzuschotten. Versucht nur das durchzulassen, was auch für andere Gedanken bestimmt ist, als würdet ihr sprechen, aber ohne Stimme, ohne Luft und ohne Lippen. Alle anderen Gedanken müssen im Hinterkopf ablaufen.“ Er wartete eine Weile.
Nach und nach verstummten auch die letzten Stimmen und Harry brummte (nicht in Gedanken, in echt!) zufrieden. Es war ein wohliger Laut, der tief aus seiner Brust zu uns herüber drang.
„Gut, das reicht fürs erste. Alle Gedanken zu mir, ich will mit allen sprechen!“, rief Harry dann. Er brüllte wieder sehr laut, doch dieses Mal schien etwas anders zu sein. Seine Worte waren nicht an uns direkt gerichtet, sondern strahlten in die Weiten der Welt hinaus. Sofort schossen ein Dutzend neue Gedankenmuster in unsere Richtung. Einige lauter, andere leiser, einige brüchig, einige schwach, die meisten aber ähnlich wie unsere, nur stabiler. Ich erkannte Marcs Gedanken, sie waren denen von Luna sehr ähnlich, als hätten wir drei die gleiche Struktur.
Wir verbanden uns mit Harry, der uns den älteren Schülern vorstellte. Einige von ihnen waren ältere Initianten, andere waren schon Novizen, auf der nächsten Stufe der Ausbildung. Mit vierzehn wurde man Novize, da hatte man die Grundausbildung abgeschlossen. Danach konnte man selbst entscheiden, ob man weiterlernen wollte, oder nicht. Und wenn man seine Bestimmung bekam, was in der Regel mit sechzehn der Fall war, wurde man zum vollwertigen Mitglied der Gemeinde.
Wir, die Neuen, waren völlig geschafft. Dieses mentale Training zehrte schwer an unserer Konzentration. Manchmal verlor ich die Verbindung zu Harry, aber das schien er schon zu kennen, denn er griff immer sehr schnell nach meinen Gedanken und zog mich geübt zu sich heran.
Harry erklärte ein paar Dinge für die älteren Schüler, die noch eine Stunde bleiben sollten, dann entließ er uns.
„Verwandelt euch zurück und geht nach Hause. Freitag sehen wir uns wieder. Und macht keine Dummheiten. Luna, wie lautet die oberste Regel?“
„Ähm…“ Wir hörten ihre Unsicherheit, wie sie herumdruckste, bis ihr die Regel wieder einfiel, „Geheimhaltung!“
„Vergesst das nicht!“, rief er und trabte auf allen Vieren zu den Kampfplätzen, um mit seinen älteren Schülern zu trainieren. Je weiter er sich von uns entfernte, umso schwerer war es, die Verbindung aufrecht zu halten und umso leiser und abgehackter klangen seine Gedanken. Auch die Müdigkeit forderte ihren Tribut. Andys Gedanken konnte kaum noch einer von uns wahrnehmen, sie waren leise und drangen nur stockend zu uns durch.
Meine Mitschüler und ich verwandelten uns wieder zurück. Ich wartete mit der Verwandlung, bis Luna wieder ein Mensch war, wenn etwas nicht geklappt hätte, hätte ich so mit ihr darüber sprechen oder Hilfe holen können. Als große Schwester musste man ja auf die Kleine aufpassen.
Aber es passierte nichts. Sie verwandelte sich, ich verwandelte mich und da wir alle nun nackt im Wald saßen, beschäftigte sich jeder mit sich selbst und ließ die anderen zufrieden. Als wir wieder unsere Sachen anhatten, streiften die ersten Blicke vorsichtig durch die Gruppe. Okay peinliche Situation ausgestanden, dann kann es ja ab nach Hause gehen.
Marc musste noch bleiben.
Die anderen drei Initianten wohnten auf der anderen Seite des Dorfes, sodass wir uns schon am großen Platz trennten. Luna und ich lebten etwas außerhalb.
„Krass, oder?“, fragte Luna auf dem Heimweg. Wir fühlten uns beide schlapp und hungrig.
„Schade, dass wir es keinem zeigen dürfen.“, antwortete ich.
„Ist Papa ein Eingeweihter? Weil er ist ja gar kein Geisterwolf.“, meinte Luna, als wir kurz vor unserem Haus waren. Meine vermutete Antwort erübrigte sich, denn an der Haustür standen unsere beiden Eltern und nahmen uns stolz und freudestrahlend in ihre Arme.
„Wie war die erste Stunde?“, fragte unser Vater und Luna begann sofort zu erzählen. Da er Bescheid
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