Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
Rhuni unserer Ältesten.
Natürlich kannte ich die verschiedenen Gaben des Clans und hatte relativ gute Einblicke in die Auswirkungen. Als ich zehn war, fing ich an meine Gabe zu studieren und hatte Unterricht in Geschichte, jedoch hatte ich nie übermäßig viel Zeit dafür erübrigen können und hinzu kommt, dass das Wissen sogar bei unseren Ältesten und Traditionsträgerinnen sehr begrenzt ist.
"Das Wichtigste aber habt ihr vergessen…", Seine Gedanken klang so menschlich, dass ich vergaß, dass ich mit einem Tier sprach.
"Das Wichtigste?", wiederholte ich.
"Die eine große Kraft. Das Wissen, die Weisheit und die Stärke eurer Verbündeten, der Schafe.", antwortete es und versuche seine Gedanken würdevoll klingen zu lassen. Es wirkte auch tatsächlich würdevoll, auch wenn sein Körper völlig geschunden war.
"Entschuldige die Frage, aber was ist so besonders an euch Schafen?"
"Wir tragen die Weltenseele in uns. Wir sind auf diese Welt geschickt worden, um die Menschheit zu beaufsichtigen. Wir können in das große Weltgeschehen oder in ein persönliches Schicksal eingreifen.", erklärte es müde, fast schon resignierend.
"Wie könnt ihr das? Und könntest du mir helfen? Mit meinem Schicksal?" nun war ich völlig wach. Gab es vielleicht doch noch eine Möglichkeit diesem Allan zu entkommen? Hatte mich das blaue Licht vielleicht zu dem Schaf geführt und nicht zu ihm?
"Ich? Nein… ich bin zu alt, ich sollte schon seit Wochen tot sein… andere Schafe vielleicht. Aber wir greifen nicht ein, wenn es nicht sein muss. Wenn es das Gleichgewicht der Welt nicht beeinträchtigt… wenn nicht irgendetwas gewaltig schief gelaufen ist… wenn nicht…" Ich unterbrach das Schaf abrupt:
"Schon gut…"
Dann dachte ich über das nach, was das Schaf gesagt hatte. Vielleicht hatte ich ja eine Chance, wenn ich zu einem gesunden Schaf ginge.
"Du kannst es versuchen. Aber nur sehr, sehr wenige von euch Menschen wurden erhört."
"Kannst du auch Gedanken lesen?", fragte ich verwirrt und folgte, selbst erstaunt davon, einem inneren Drang mit meiner Pfote mehrfach über das rechte Ohr zu streichen. Ich hatte diese Gedanken eigentlich nicht zu dem Schaf rübergeschickt.
"Nein… aber ihr Menschen denkt in so einfachen Bahnen. Ich bin zu alt für diese Welt…"
"Kann ich dir nicht irgendwie helfen zum Sendemast zu kommen?", fragte ich voller Mitleid.
"Nächstes Gewitter… brauche Blitz." Das Schaf legte den Kopf auf seine Vorderbeine, doch sein Blick galt dem bedrohlichen Himmel, der aber in ihren Augen gespiegelt eher hoffnungsvoll wirkte. Seltsam.
"Hm… Wenn du möchtest, könnten wir uns beim nächsten Gewitter hier treffen.", schlug ich vor, richtete meinen Kopf möglichst hoch auf und deutete in aller Gestik hin zum Schaf.
"Könnten wir… könnten wir…", Nun drangen wieder nur noch Gedankenfetzen zu mir durch.
"Mein Name ist Fynia, wie heißt du?"
Irgendwie gefiel mir das Schaf, ich wusste auch nicht warum. Deswegen versuchte ich eine persönlichere Ebene herzustellen.
"Die Menschen nannten mich… Zweiundsiebzig. Klingt nicht so schön wie Fynia…", antwortete das Schaf träge und rollte sich auf die andere Seite, mit dem Rücken zu mir. Klar, so konnte man ein Gespräch auch beenden.
"Zweiundsiebzig… Es könnte schlimmer sein." versuchte ich das Schaf aufzumuntern und drehte mich ebenfalls auf die Seite.
Wir lagen nun Rücken an Rücken. Ich starrte in die pechschwarze Nacht und dachte über das Geschehene nach. Wenn noch eine Chance bestand das aufzuklären, was mit meiner Bestimmung passiert war - wenn etwas mit ihr passiert war und an diesen Glauben klammerte ich mich - dann musste ich mal ein paar jüngere Schafe dazu befragen.
Vielleicht sollte ich auch mal die alten Archive der Stadt aufsuchen. Dort gab es ein paar Regale mit alten Büchern und Schriften von unserem Clan… ähm Stamm… das war verwirrend. Ein bisschen Ahnenforschung würde mir nicht schaden. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf schlief ich ein.
Es musste ein bizarres Bild gewesen sein (von dem ich gern ein Foto gehabt hätte). Ein Wolf und ein Schaf eng aneinander gekuschelt, sich gegenseitig wärmend unter diesem Unterstand. Doch, was ich damals noch nicht wusste, dieses Bild sollte bei Weitem nicht das Bizarrste bleiben…
Kapitel 3
Erinnerung Regeln des Clans
Sommer 2000
Am übernächsten Mittwoch war es soweit, Luna und ich gingen gemeinsam mit unserem großen Bruder Marc zu unserer ersten
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