Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
wie ein Wolf zerfleischt du alles, was du nicht verstehst."
"Dann erklär es mir doch!" Mir war zum Heulen zumute, doch ein Wolf hatte keine Tränen.
"Das hatte ich vorhin… hatte ich schon getan… du verstehst es nicht… Niemand ist machtlos. Aber es gibt größere Mächte. Und es gibt Dinge, die selbst wir nicht verstehen, obwohl das nur sehr wenige sind."
"Du hilfst mir damit nicht. Ich brauche konkrete, menschliche Ratschläge!", empörte ich mich. Langsam bereute ich es, hergekommen zu sein.
"Lass dich auf das Spiel ein, dann kannst du auch gewinnen."
"Spiel? Das ist kein Spiel, das ist mein Leben! MEIN LEBEN! Verdammt, ich will nicht, dass es kaputt geht. Ich will Jasper! Ich will Frieden. Ich will auf keinen Fall diesen Scheiß!" Im Nacken spürte ich, wie sich mein Fell aufstellte.
"Geh und triff dich mit ihm." Das Schaf suchte auf dem Boden zwischen dem Stroh nach etwas Essbarem.
Ich erstarrte. Hatte das Schaf gerade wirklich eine konkrete, für einen dummen Menschen wie mich verständliche Aufforderung von sich gegeben?
"Treffen?", fragte ich verwirrt.
"Dein Verstand ist vernebelter als ich dachte…", summte das Schaf fast schon amüsiert.
"Ich ähm… okay, dann gehe ich jetzt los. Allan wartet bestimmt schon." Ich erhob mich bei diesen Worten, "Danke, endlich mal ein Rat, mit dem ich etwas anfangen kann. Bis später!" Ich beeilte mich so, dass Zweiundsiebzigs letzte Worte im Wind verwehten: "Wer sprach denn von Allan?"
James hatte mich ohne zu fragen bei sich aufgenommen. Er behandelte mich, als hätte er in meinen Kopf geschaut und mit eigenen Augen gesehen, was passiert war.
Er schob mir am Abend eine heiße Tasse Kaffee über seinen Tresen in der Küche zu und schmiss mir sauberes Bettzeug ins Gästezimmer, während ich mir die Zähne mit einer nagel neuen Zahnbürste putzte, die schon griffbereit in einem Becher stand.
Ich schüttelte den Kopf, als ich in den Spiegel sah. Als hätte er gewusst, was passieren würde. Kennt er mich einfach so gut, dass er wusste, dass ich es verbocken würde? Hatte er einfach eine so enorme Menschenkenntnis, dass ihm klar war, dass wir doch aneinandergeraten würden? Oder hatte er das ganze Zeug vorsorglich hervorgekramt, nur für den Fall…
An dem Abend sprachen James und ich nicht mehr miteinander. Ich brauchte Ruhe, zog mich früh in das Gästezimmer zurück und stellte mit einem leisen Lächeln auf den Lippen fest, dass ein futuristischer Abenteuerroman auf meinem Nachttisch lag. Das Taschenbuch war schon zig Mal gelesen worden, einige Male war ich es selbst gewesen, der den Buchrücken so malträtiert hatte, dass man die Buchstaben darauf nicht mehr erkennen konnte. Das war genau das, was ich brauchte, mein Lieblingsbuch. James war schon ein Fuchs, ein guter Fuchs, der immer für mich da war. Ich sollte ihm mal sagen, wie viel mir das bedeutete.
Am nächsten Morgen wurde ich von der Haushälterin geweckt. Sie brachte mir ein Glas Orangensaft ans Bett und sagte mir, dass James Brötchen holen gegangen war. Ich machte mich in Ruhe fertig und las die Tageszeitung, die auf meinem Platz am Esstisch lag.
James konnte mich unmöglich so gut kennen. Wir waren eigentlich nur Kollegen und nach der Arbeit Kumpels, die sich ihre Probleme erzählten und zusammen einen tranken. Jetzt, wo ich so darüber nachdachte, hatten wir eigentlich fast ausschließlich über meine Probleme gesprochen. Ich selbst wusste von James nicht so viel, wie er über mich.
Als James mit den Brötchen kam, fielen nicht viele Worte, aber ich rang mich zu einem durchdringenden Blick und einem sehr aufrichtigem "Danke" durch. James nickte höflich und wandte sich wieder seiner Computerfachzeitschrift zu. Auf dem Cover war das Yin und Yang Zeichen mit dem Firefox- und dem Thunderbird-Symbol dargestellt. Ich schmunzelte.
So war es richtig, so war es gut! Warum konnte es mit Fynia nicht auch so einfach sein? Immer reden, reden, reden. Nichts sagen kann so gut tun. Und mit James verstand ich mich einfach auch ohne Worte, während Fynia immer eine ganze Batterie voller Worte verschoss.
Als das Essen fertig war, stand James auf und sagte: "Ich muss zum Rechenzentrum, du kannst machen, was du willst. Du kannst solange bleiben, wie du willst. Und wenn du mich brauchst…" ich nickte zustimmend und James verschwand.
Nur das Nötigste, wenig Worte, viel Stille…
Allan wartete schon ungeduldig am Zaun. Ich winkte ihm fröhlich zu. Ich wusste selber nicht, woher ich
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