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Fyrgar - Volk Des Feuers

Fyrgar - Volk Des Feuers

Titel: Fyrgar - Volk Des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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natürlicher Vorgang, um den kein großes Aufhebens gemacht wurde. Eine kurze Zeremonie, die Bestattung, mehr brauchte es nicht. Schließlich gab der Fyrgar nur sein weltliches Dasein auf; ein sphärisches Dasein erwartete ihn danach. »Ein Fyrgar stirbt nie«, das stimmte in gewisser Weise. Er ging in eine andere Daseinsform über, anders als jedes Volk, anders als selbst die Mächtigen.
    Das war der Unterschied von den Hochbergen zum Tiefland: Dort oben waren die Götter immer da und Teil des Lebens, jeder Fyrgar konnte sie spüren, manchmal hören, und ab und zu sehen. Das Leben an sich verlief stets auf dieselbe Weise. Wenn ein Fyrgar vor der Zeit starb, dann durch ein Unglück oder im Kampf. Das kam selten vor und war gewiss tragisch, doch auch das gehörte dazu. Das weltliche Leben währte selbst für Unsterbliche nicht ewig.
    Aber diese erhabene Straße entlangzuschreiten war schön, und Aldavinur war unerklärlicherweise von heiteren Gedanken erfüllt. Er erinnerte sich an seine Kindheit und an seine Jugendzeit, und daran, wie er zum Lehrmeister wurde. Er dachte nunmehr versöhnlich an Beserdem und verzieh ihr, ebenso wie allen anderen seines Volkes.
    Selbst das Sonnenlicht schien hier kräftiger herabzufallen, der Himmel ein wenig klarer zu sein. Auf dieser Straße hatten die Schattenweber keinen Platz. Beinahe wie eine Freie Straße, so kam es dem Fyrgar vor.
    Der Rappe hatte dafür nichts übrig, er trottete mit hängendem Kopf seinem Herrn hinterher, überließ ihm die Führung und gestattete sich ein kleines Nickerchen im Gehen.
    Beschwingt schritt Aldavinur dahin und ließ sich den sanften Wind durch die Haare streichen. Ab und zu berührte er Beserdems Federn, die ihm stets ein Trost gewesen waren, und den kleinen Beutel an seinem Gürtel; seine Heimat, die er noch immer bei sich trug.
    Nach einer kleinen Kuppe lag sie vor Aldavinur: Nekramantia, die Stadt der Toten.
 
    Erstaunlich groß war sie, und strahlend weiß. Jedes Haus, jeder Turm, jede Kuppel war durch Säulenbögen miteinander verbunden, und die Wege waren gepflastert. Viele Fenster waren aus buntem Glas, mit prächtigen Szenen und Bildern, mit Figuren und mythischen Wesen. Das Hauptfenster einer großen Kuppel wurde geziert vom Abbild eines mächtigen, steigenden Velerii, der in der einen Hand ein Schwert hielt und in der anderen Hand eine Harfe.
    Das Schwert war Luvian, daran gab es keinen Zweifel. Glänzend und unversehrt, noch nicht mit der Scharte geschlagen. Jener Scharte, die sich erst beim Betreten des Tieflandes von Luvgar offenbart hatte.
    »Lichtsänger. Er muss es sein.«
    Aldavinur zog sein Schwert und hielt es ins rötliche Nachmittagslicht. »Wolltest du hierher? Zu deinem Herrn?«
    Nein. Er hatte das Gefühl, als würde der Griff kälter, als Antwort auf die Frage.
    Das Schwert wollte geheilt werden, was seinem eigentlichen Herrn verwehrt geblieben war.
    »Werde ich eines Tages erfahren, was dir zugestoßen ist?«, flüsterte der Fyrgar. »Vielleicht wenn es mir gelingt, dich deiner Bestimmung zuzuführen ...«
    Er steckte Luvian wieder in die Scheide, setzte den Helm auf und schloss das Visier. Der Onyxmarmorweg führte auf einen prächtigen, sehr hohen, geschwungenen offenen Eingang zu.
    »Wer die Toten hierherbringt, findet Trost in seiner Trauer«, stellte Aldavinur für sich fest. »Weshalb nur meiden die Lebenden diesen Ort? Wovor fürchten sie sich? Er ist wunderbar, mit sich im Reinen im Klang der Stille.«
    Am von Westen nach Norden verlaufenden Bogen der Stadt befand sich ein großer See mit Bäumen, und einem grasbestandenen sandigen Ufer, das bis an die mit Büschen dicht bewachsene Stadtgrenze reichte. Dieser See musste von einer unerschöpflichen unterirdischen Quelle gespeist werden, sonst würde er in der trockenen Dürre rasch verdunsten. Aldavinur sah Blasen aufsteigen, die Ringe bildeten, und schuppige Fischleiber aufblitzen, wenn sie an die Oberfläche kamen.
    Kurz entschlossen nahm er dem Rappen Zaumzeug und Sattel ab und ließ ihn frei. Augenblicklich trabte das Pferd mit freudigem Schnauben los, auf den See und das saftig grüne Gras zu. Lächelnd legte Aldavinur die Sachen neben dem Säulenweg ab und ging durch den geschwungenen Eingang hinein.
 
    Angenehm kühle Dämmerung umgab ihn. Seine Augen gewöhnten sich rasch an das trübe Licht, und er sah, dass die ganze Empfangshalle mit farbenprächtigen Mosaiken ausgelegt war, die wiederum zeitlose Geschichten erzählten.
    Doch niemand kam auf ihn zu.

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