Fyrgar - Volk Des Feuers
sich die Ohren zu. Die Welt hier draußen konnte ihn nicht so quälen wie der Sturm in seinem Inneren.
Dàvin atmete mit einem tiefen Stoß aus. Ich finde dich, Gondwin, und dann weide ich dich mit bloßen Händen aus, dachte er grimmig. Ich habe ein Ziel und eine Rache. Mehr braucht es nicht.
Der abnehmende weiße Mond ging auf und zeigte ihm, wie viel Zeit schon vergangen war. Ein Bergstock mit drei Pfeilern ragte links von Dàvin auf, der vom dahinter aufstrahlenden Perlmond mit üppigem Licht übergossen wurde. Die zerklüfteten Felsen glühten grünlich und beschienen Dàvins Weg so hell, dass er ungehindert weiter absteigen konnte. Mit jedem Schritt entfernte er sich nun von den Bergen. Den Wolkenreiter konnte er schon lange nicht mehr erkennen; seine Heimat lag tief verborgen im Gebirgswall, der den Fremden unzugänglich und niemals endend erscheinen mochte.
Die Sphäre und Lúvenor waren nun fern. Aber sie hatten ohnehin schon seit dem letzten Sommer nicht mehr miteinander gesprochen.
Da muss es geschehen sein, dachte Dàvin. Da müssen die Schattenweber in Luvgar eingefallen sein. Das alles hängt irgendwie zusammen.
Seine Finger spielten mit dem Beutel, das Stück Heimat, das er nun bei sich trug. Glutsteine und Steinmehl, ein paar Kräuter noch, und ... Beserdems Federn.
Und dann war da noch sein knurrender Magen. Wasser fand er immer wieder, aber mit dem Essen stand es schlecht. Dàvin drang zwar allmählich in Regionen vor, die fruchtbarer wurden, doch zu dieser Jahreszeit gab es noch keine Beeren oder Pilze, alles wuchs erst heran. Frisches Fleisch gab es schon. Großlöffler, Wollnasons und viele kleine Nagetiere. Es war eine Qual für Dàvin, ihre Spuren zu sehen, ab und zu auch einmal einen Blick auf ein huschendes Stück Fell zu erhaschen oder einen stechenden Geruch wahrzunehmen. Aber wie sollte er jagen?
Schließlich legte Dàvin sich doch schlafen, hungrig und mit schmerzenden Gliedern. Seine Füße gewöhnten sich allmählich an die Qualen, sie schwollen ab, die Wunden schlossen sich, und an der Sohle bildete sich eine dicke Hornhaut.
Im ersten Tagesdämmer erwachte der Fyrgar und setzte den Weg fort. Nur noch die mittleren Berge lagen vor ihm, es war nicht mehr weit in die Ebenen. Wie würde es wohl sein, zum ersten Mal bergfreies, weites Land zu sehen?
Ein Schrei zerriss die Stille. Dàvins Kopf ruckte hoch, und er versuchte die Ohren aufzustellen, bis ihm einfiel, dass das nicht mehr möglich war. Doch sie zuckten heftig. Auch seine Nasenflügel blähten sich, aber der Geruch, den er aufnahm, war nur schwach,.
Es war ein heller Schrei gewesen, in höchster Angst, irgendwo vor ihm. Dàvin rannte los.
Als er einen Felsvorsprung erreichte, sah er ein schreiendes Kind, einen kleinen Jungen von etwa zehn Jahren zwischen den Felsen dahinrennen. Und da entdeckte er auch schon die Ursache für den Schrecken des Kleinen.
Ein unheimliches Wesen, wie es Dàvin in seinem ganzen Leben nur wenige Male gesehen hatte, denn normalerweise verirrten sich diese Geschöpfe nicht auf das Gebiet der Fyrgar. Es bewegte sich auf sechs Beinen; dunkelgraues, wild gesträubtes Fell, ein kahler, schmaler Kopf mit einer langen, reißzahnbewehrten Schnauze und flatternden Ohren. Und mit vier tentakelartigen Greifarmen am langen Hals, die nach dem Jungen schlugen wie Peitschen, doch er konnte sich jedes Mal durch einen instinktiven Sprung retten.
Ein Krakenwolf, einer der gefürchtetsten Jäger der mittleren Gebirge, sehr wild und gefährlich. Es war Dàvin allerdings neu, dass diese Wesen menschliche Kinder angriffen. Sie hielten sich lieber an erwachsene Menschen, zumeist Männer. Vor allem dann, wenn diese eine Wette verloren. Krakenwölfe wetteten gern, wer beispielsweise am schnellsten auf einem bestimmten Pfad laufen konnte, ein Holzstück durchbeißen, eben lauter Herausforderungen, denen Menschen in diesem Maß nicht gewachsen waren. »Faires Duell« nannten es die Krakenwölfe und hatten ihren Spaß dabei. »Lass uns zusammen feiern«, forderten sie den Verlierer danach großzügig auf, der gar keine andere Wahl hatte, als sich zuerst mit Wurzelschnaps abfüllen und dann verspeisen zu lassen, denn:
»Ein Spiel, ein Schnaps,
macht das Fleisch süß und zart
für 'nen guten Haps.«
Manch ein Baron, der dienstfähige Männer in den Bergen einbüßte, veranstaltete daraufhin eine Treibjagd auf die gefährlichen Wesen. Und dieser Übermacht waren sie bei aller Stärke nicht gewachsen. Die
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