Gabe der Jungfrau
alpträume verschwinden.«
»Gruselig!« Friedrich erschauderte.
»Ihr seid losgezogen, um zu kämpfen. Habt ihr nie daran gedacht, dass ihr dafür auch töten müsst?«, fragte Hauser erstaunt.
»Ich könnte einen Menschen umbringen!«, sagte ausgerechnet der schmächtige Michael.
»Hoffen wir, dass es nie so weit kommt!«, entgegnete Hauser ernst.
»Manchmal geht es schneller, als man sich vorstellen kann«, bemerkte der Landsknecht und schloss die augen.
Es war dunkel geworden, und nur das spärliche Mondlicht erhellte die Scheune. Die Männer streckten sich auf der dünnen Strohschicht aus – ein jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
Zuerst glaube Peter, dass er das Wiehern des Pferdes nur träumte, doch rasch wusste er, dass Lorenzo tatsächlich aufgeregt schnaubte und wieherte. Sogleich waren alle hellwach. Matthias versuchte das Pferd zu beruhigen, als plötzlich lautes Gebrüll zu hören war. Wie aus dem Nichts standen die Bauern in der Scheune – nur dieses Mal waren es einige mehr.
Noch immer hielt Matthias das Pferd am Halfter fest. aus Furcht blähte es die Nüstern und riss den Kopf hoch, sodass der Junge loslassen musste.
Als ein Bauer sich an der Mähne auf den Pferderücken hochziehen wollte, stieg der Hengst in die Höhe und trat mit den Vorderhufen in die Luft. Ein Schmerzenschrei war zu hören. »Du verdammtes Mistvieh!«, schrie der Getroffene. »Ich steche dich ab!«, drohte er und griff erneut nach der Mähne. Im selben Moment trat das Pferd mit dem Hinterhuf seitlich aus und erwischte den Mann im Unterleib. Jaulend ging der Bauer zu Boden.
Täuber, der sich gegen einen angreifer wehren musste, rief Matthias zu: »Lass Lorenzo laufen.« Matthias öffnete das Scheunentor und gab dem Pferd einen Klaps. Sofort galoppierte es mit hochgestelltem Schweif davon.
Hauser, die Burschen und der Landsknecht kämpften tapfer gegen die Bauernhorde. Hauser verteidigte sich wie ein junger
Mann. Zwischendrin hörte man ihn sogar lachen und laut rufen: »Wie in alten Zeiten!«
Matthias konnte sehen, wie Täuber die Kräfte verließen und er auf die Knie sank. Der Junge sprang ihm zu Hilfe, als ein schmerzerfüllter Schrei ihn herumfahren ließ. Voller Entsetzen sah er, wie sein Bruder Peter neben ihm schreiend zusammenbrach. Ein Bauer hatte ihm mit einem dicken Knüppel auf den Kopf schlagen wollen. als Peter versucht hatte, den Schlag mit dem arm abzuwehren, wurde er am Ellenbogen getroffen. Der Knochen zersplitterte durch die Wucht des Schlags und bohrte sich durch die Haut nach außen. Obwohl Peter unmenschlich laut schrie, schien der Bauer davon unbeeindruckt. Mit Schwung holte er aus und zielte erneut auf Peters Schädel. Bevor er jedoch zuschlagen konnte, knickte er in den Knien ein. Seine augen weiteten sich, bevor sie brachen, und der Mann tot nach vorne kippte.
Matthias stand regungslos da, sein Gesicht mit Blut besudelt. In der Hand hielt er Täubers Kurzschwert.
Als ein Bauer sich mit lautem Gebrüll auf ihn stürzen wollte, hob der Junge das blutverschmierte Schwert und zielte auf die Kehle des angreifers. Hauser umklammerte Matthias’ Handgelenk und hinderte ihn am Zustechen.
Zornig schrie er die Bauern an: »Nehmt euren toten Gefährten und verschwindet, bevor hier noch mehr sterben müssen!«
Entschlossen rappelten sich die Burschen und Täuber auf und stellten sich neben Matthias und Hauser. Nur Peter lag wimmernd auf dem Boden und hielt sich den zertrümmerten arm.
Ohne Widerspruch hoben zwei der Bauern den Toten auf und verließen die Scheune. Die anderen folgten ihnen wortlos.
Erst als er sicher sein konnte, dass die angreifer fort waren, kniete sich Hauser neben Peter nieder.
Der Junge lag kreidebleich am Boden. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß.
»Wir müssen so schnell wie möglich nach Mühlhausen zu einem arzt!«, sagte Hauser mit sorgenvollem Blick zu Täuber. Der nickte und sagte: »Er wird seinen arm verlieren!« Hauser nickte. »Das steht zu befürchten!«.
Erst jetzt schien Matthias aus seiner Erstarrung zu erwachen. Zitternd kniete er sich neben Hauser und seinen Bruder nieder. Mit letzter Kraft stieß Peter Matthias mit seinem gesunden arm zur Seite, fasste Hauser am Kragen und zog ihn dicht zu sich heran: »Wenn Ihr zulasst, dass man mir den arm abnimmt, komme ich zurück und werde euch alle töten!« Peters Blick war so kalt, dass Hauser keinen augenblick daran zweifelte, dass er ihm mit seiner Drohung ernst war. Dann erschlaffte
Weitere Kostenlose Bücher