Gabe der Jungfrau
leer sei. Für uns Landsknechte ist das nicht weiter schlimm – können wir nicht bezahlt werden, fackeln wir nicht lange und ziehen ab. Doch der Feldherr lockte mit der Kriegsbeute. Uns wurde versichert, dass wir jedes Messer, jeden Rock, jedes Paar Stiefel der Gefallenen veräußern könnten, denn die Händler würden darauf bereits warten. Was er jedoch nicht erwähnte, war, dass die Händler niedrigste Preise zahlen würden, da sie die Einzigen waren, denen wir die Beute verkaufen konnten. auch verschwieg Frundsberg, dass dieses wenige Geld nicht reichen würde, um unsere täglichen Kosten zu bestreiten. auf der einen Seite bezahlten die Händler so gut wie nichts für Kriegsbeute, doch auf der anderen Seite verlangten die Marketenderinnen Wucherpreise für alles, was wir benötigten. Egal ob für Tabak, für Essen oder für die Versorgung der Wunden. alles ließen sie sich doppelt und dreifach entlohnen. Hinzu kamen die hohen Preise für die leichten Mädchen.«
Fünf hochrote Köpfe drehten sich beschämt zur Seite. Hauser sah den Landsknecht kopfschüttelnd an, konnte sich aber ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen.
»Wenn es nach mir gegangen wäre«, fuhr Täuber fort, »wäre ich sofort nach Hause geritten. Doch meine Männer wollten einige Tage ausharren, und so blieb ich zähneknirschend, weil ich angst hatte, allein die Berge zu überqueren. am nächsten Tag zogen wir in die Schlacht, und ich bin sicher, dass die wenigsten wussten, warum sie dort kämpften. Vor der Schlacht schärfte man uns ein: Seid tapfer und siegt! Doch letztendlich zählte nur, dass man überlebte.«
Täuber atmete laut aus und schwieg einige augenblicke, bevor er weitersprach. »Es war ein Gemetzel! Nach kurzer Zeit blies der Gegner zum Rückzug. Doch statt uns die gegnerischen Soldaten verfolgen zu lassen, rief Georg von Frundsberg uns zur Besonnenheit auf. Großer Unmut breitete sich unter den Landsknechten aus. Nichts in der Kriegskasse, und jetzt sollten sie auch noch ihre Beute ziehen lassen! Wütend stürmten sie hinaus aufs Schlachtfeld und plünderten die Gefallenen. Denen, die noch lebten, schnitten sie die Kehle durch. Verwundete, die das sahen, flohen. Voller Furcht sahen sie keinen anderen ausweg, als ins eiskalte Wasser der Kanäle zu springen. Viele ertranken jämmerlich, und die, die schwimmen konnten, wurden von ihrem Brustharnisch in die Tiefe gezogen.
Da das italienische Heer größtenteils aus Franzosen bestand, waren auch adelige unter den Getöteten. Einige Landsknechte hatten den Einfall, Lösegeld von deren Familien zu verlangen, da man die Toten sicherlich anständig beerdigen wollte. Gottlob war es kalt, denn die Leichen der getöteten Franzosen türmten sich zu Bergen an der Stadtmauer auf. Tatsächlich kamen abgesandte der Familien und versuchten den Söldnern die Gefallenen abzukaufen. Doch einige Familien waren nicht gewillt, den unverschämten Preis zu zahlen, den die Landsknechte verlangten. Wie auf einem Viehmarkt wurde um die Toten gefeilscht. Bekam ein Landsknecht nicht die geforderte Summe, warf er die Leichen ins Wasser.
Die Männer zeigten weder Scham noch Moral, so groß war der Zorn über den entgangenen Sold. als ich das sah, wusste ich, dass ich von dort fort musste. Denn auch wenn ich Geld nehme, um in den Kampf zu ziehen und zu töten, ehrlos wollte ich nicht werden.
Das Pferd stand am Rande des Schlachtfeldes, durch hohe Mauerreste verdeckt – vielleicht hat man den Gaul deswegen nicht bemerkt. Treu harrte er bei seinem gefallenen Herrn, einem adeligen mit gespaltenem Schädel, gekleidet in ein edles Gewand. Ich nahm mir Umhang und Pferd und ritt allein über die Berge zurück nach Hause. Jeden Tag danke ich dem Herrn, dass er mich beschützt und sicher über dieses elende Gebirge geleitet hat!«
»Woher wusstet Ihr, dass das Pferd Lorenzo heißt?«
»Das wusste ich nicht. Ich gab ihm diesen Namen. Ich kann wenige Wörter auf Italienisch sprechen, aber das reichte scheinbar, dass es Vertrauen zu mir bekam.«
Nachdenklich sagte Matthias: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich einen Menschen töten könnte.«
»Das glaube ich dir«, antwortete Täuber. »Oft, wenn man das erste Mal töten muss, schwebt man selbst in Gefahr und muss sich wehren. Wenn einen danach das schlechte Gewissen plagt, spielt es keine Rolle, warum man getötet hat. Der Tote wird dich in deinen Träumen verfolgen. Doch irgendwann wird das Töten leicht, man hinterfragt nichts mehr, und die
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