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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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wäre, verlangsamten sie ihren Schritt.

    »Wohin seid Ihr unterwegs?«, fragte Michael neugierig. Unentschlossen zuckte der Fremde mit den Schultern. »Nach hier oder nach da!«, sagte der Mann und wies mit dem Daumen nacheinander in die vier Himmelsrichtungen. Dann erklärte er: »Seit ich aus Italien zurück bin, biete ich jedem meine Dienste an, der sie gebrauchen kann. Ich meide jedoch das große Schlachtfeld und kämpfe nur noch bei kleinen Fehden.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Matthias nachdenklich. »Ist es nicht ein erhabenes Gefühl, wenn man in einem großen Heer einem großen Feldherrn dienen kann?«
    »Wie heißt du?«
    »Matthias, Herr!«
    »Nenn mich nicht Herr, Bursche. Mein Name lautet andreas Täuber, und ich stamme aus dem Schwabenland.«
    Matthias strahlte voller Stolz, dass er einen Landsknecht mit seinem Namen anreden durfte.
    »Wenn du gesehen hättest, was ich auf dem Schlachtfeld sehen musste, dann könntest du mich verstehen«, sagte Täuber leise, und der ausdruck auf seinem Gesicht verhärtete sich, sodass Matthias nicht weiter nachfragte.
     
    Bald war der Landsknecht erschöpft. Sein Bein und auch sein Kopf schmerzten. als er Hauser aufforderte, mit den Burschen allein weiterzuziehen, lehnten alle entrüstet ab.
    »Es wird bald dunkel, und da ist es besser, wenn wir uns rechtzeitig eine Bleibe suchen«, sagte Hauser freundlich.
    Dankbar lächelte der Schwabe.
    Bald kamen sie an eine zerfallene Scheune, in der zwar verfaultes, aber trockenes Heu auf dem Boden lag. an einem kleinen Bach hinter dem Haus füllten sie ihre Wasserschläuche und tränkten das Pferd. Matthias und Friedrich versuchten so viel Gras wie möglich für den Gaul zu rupfen, doch es war wenig, was sie im November finden konnten. Deshalb brachen sie einige
Tannenäste mit weichen Nadeln, die sie dem Pferd zum Fressen gaben. als es auf den Nadeln kaute, breitete sich ein angenehmer Duft aus.
    Da der Wirt aus der Taverne am Morgen jedem Mann reichlich Speck und Brot eingepackt hatte, gaben sie Täuber etwas ab.
    Nach dem Essen konnte Matthias nicht länger an sich halten und fragte den Landsknecht neugierig: »Wie war es in Italien? Ist es weit weg?«
    Täuber hatte damit gerechnet, dass der Junge nicht lockerlassen würde. »Das ist es doch nicht, was dich interessiert, Bursche«, entgegnete er. »Vielmehr willst du doch wissen, was ich auf dem Schlachtfeld erlebt habe!«
    Matthias errötete, weil Täuber ihn durchschaut hatte. Die Miene des Landsknechts wurde ernst. Vorsichtig legte er sich nieder und begann zu erzählen: »Ich bin kein gewöhnlicher Landsknecht, sondern ein Hurendeibel. Wir tragen die Verantwortung für den gesamten Tross, der einen Landsknechtverband begleitet. Hurendeibel sind für den arbeitseinsatz, den Lageraufbau und für die Marschordnung verantwortlich. Dafür erhalten wir ein Vielfaches des normalen Solds. Das lockt, und ich diene jedem, der mich bezahlen kann. So kam ich in die Dienste des adeligen Georg von Frundsberg, der ein Heer zusammenstellte um Italien zu erobern. Nachdem er bereits viele Städte unterworfen hatte, wollte er nach Mailand ziehen. Wie jeder andere Kriegsherr versprach auch er gute Bezahlung und reiche Kriegsbeute. Ich diente schon vielen, doch dieser adelige überraschte mich, denn er hatte die angewohnheit, seine Mannen als ›Brüder‹ oder ›Söhne‹ anzureden. Das weckte Vertrauen. Man hatte das Gefühl, Mitglied einer großen Familie zu sein. Doch schon bald wusste ich, dass ich mich geirrt hatte. Kein Kriegsherr interessiert sich für dich – gleichgültig, wie er heißt oder wie er dich anredet. Er will siegen und sich bereichern.
Ob du dabei auf der Strecke bleibst, ist ihm einerlei. Der Teufel persönlich muss mich vor zwei Jahren überredet haben, Georg von Frundsberg in dieses verdammte Italien zu folgen. Mitten im Winter überquerten wir die alpen.«
    Andreas Täuber sah die fragenden Blicke der jungen Männer und erklärte: »Das sind Berge so hoch, dass man glaubt, Gott nahe zu sein. Es war eisig kalt dort oben, und nicht wenige erfroren in dieser Eiseskälte. Während der Überquerung betete ich, dass Gott mich nicht als Krüppel die Schlacht überleben ließe. Denn als Krüppel, das wusste ich, würde ich nie wieder das Gebirge überqueren können. ›Hole mich ganz oder gar nicht‹, schlug ich Gott vor.« Täuber lachte leise auf.
    »Es kam, wie es kommen musste! Kurz vor Mailands Stadtmauer ging das Gerücht durchs Lager, dass die Kriegskasse

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