Gabe der Jungfrau
Gefäße mit dem Kräutersud waren sein Einfall.«
»Wie lange bin ich schon in diesem Zimmer?«
»Ein paar Tage, schätze ich. Johann wollte dich im Kerker lassen, denn er ist immer noch zornig, weil du versucht hast zu fliehen. Es war Veit, der dich hierhergebracht hat. Ich verstehe ja nicht, warum ihm so viel an dir liegt. Er mag nämlich keine Frauen mit hellen Haaren!«
Gierig trank anna Maria von der Milch, um nicht antworten zu müssen, aber auch, weil sie hungrig war.
Gerhild entfachte die Binsenlichter und sagte nebenbei: »Während du geschlafen hast, ist der erste Schnee gefallen.«
»Neeeeiiiin!«, entfuhr es anna Maria, und sie ließ den Becher
mit dem Rest Milch fallen. Keuchend erhob sie sich von ihrem Lager und schwankte auf das Fenster zu, dabei riss sie mehrere Hocker um. Der heiße Sud ergoss sich über ihre blanken Füße, doch sie spürte keinen Schmerz.
Kurzatmig schnappte sie nach Luft, als ein heftiger Hustenanfall sie in die Knie zwang. Gerhild versuchte sie vom Boden hochzuziehen, als der Landsknecht und sein Bruder in den Raum gestürmt kamen.
»Was ist passiert?«, fragte Veit.
»Hatte sie eine Vorsehung?«, wollte Johann wissen.
Veit hob anna Maria hoch und legte sie zurück auf ihr Lager. Sie zitterte.
»Was hat sie gesehen?«, fragte Johann ungeduldig.
»Sie hatte keine Vorsehung! Ich erzählte ihr nur, dass es geschneit hat, und da schrie sie entsetzt auf.«
»Wegen des Schnees?«, brüllte Johann ungehalten. »Ist sie von Sinnen?«
»Du hast gehört, dass sie nichts gesehen hat. Schau sie dir an, Johann! Sie ist geschwächt und sehr krank! Lass ihr die nötige Ruhe, um gesund zu werden. Dann wird ihre Fähigkeit zurückkehren!«
»Meinst du wirklich?«
»Ja! Und jetzt geht!«, sagte Veit und scheuchte Gerhild und Johann hinaus. Beim Hinausgehen sah Gerhild sich noch einmal um, doch als sie Veits abweisenden Blick auf sich spürte, folgte sie dem Landsknecht wortlos.
Veit schloss die Tür und besah sich anna Marias verbrühte Füße. Die Haut auf dem Fußspann war gerötet.
»Zum Glück kochte das Wasser in den Schalen nicht«, murmelte er.
Anna Maria beobachtete ihn durch einen Tränenschleier.
»Was hat Euch so aufgebracht?«, fragte er, während er die
Füße mit einem nassen Tuch kühlte. anna Maria antwortete nicht, sondern schluchzte leise vor sich hin.
Nachdem Veit die Hocker wieder aufgestellt und die zerbrochenen Scherben des Bechers und der Schüsseln weggeräumt hatte, nahm er sich einen Schemel und setzte sich zu anna Maria.
Freundlich blickte er die junge Frau an. »Wollt Ihr mir nicht erzählen, was Euch quält?«
»Wie hoch liegt der Schnee?«, flüsterte anna Maria.
Veit musterte sie. »Warum wollt Ihr das wissen?«
»Bitte! Wie hoch?«
»Es liegt kein Schnee. Zwar hat es gestern tatsächlich geschneit, aber die weißen Flocken sind, kaum dass sie die Erde berührt haben, geschmolzen.«
Erleichtert schloss anna Maria die augen. Dann sah sie auf, und ihr Blick wurde hart. »Ich muss von hier fort! Und Ihr werdet mir helfen zu fliehen!«
»Das werde ich nicht tun!«, antwortete Veit brüsk.
»O doch, das werdet Ihr, Wolfsbanner!«
Anna Maria saß an einem der Tische im großen Saal und versuchte einige Löffel des noch warmen Gerstenbreis zu sich zu nehmen. Sie hatte über mehrere Wochen darniedergelegen, und erst heute, acht Tage vor dem Heiligen abend, hatte sie gewagt, das Bett zu verlassen. Doch bei jeder Bewegung spürte sie, wie schwach sie war. auch zeugten ihre Blässe und die eingefallenen Wangen von der schweren Krankheit. als das Frühmahl beendet war, hörte anna Maria, wie Johann zu Gerhild sagte: »Ich werde mit Veit dem Verwalter im ›Löwensteinischen Haus‹ einen Besuch abstatten und ihm eine kleine aufmerksamkeit bringen. am Nachmittag werden wir zurück sein. Pack mir zwei Blutwürste ein, und füll mir ein kleines
Fass von dem starken Bier ab.« als der Landsknecht Gerhilds ärgerlichen Blick gewahr wurde, schnauzte er: »Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft!«
Anna Maria spürte, wie Veit sie beäugte. Sie erwiderte seinen Blick und konnte den zynischen Zug erkennen, der um seine Mundwinkel lag. Sie war verärgert, und um ihn zu reizen, spitzte sie die Lippen und legte den Kopf in den Nacken. Veit schien ihre absicht zu ahnen, denn seine augen weiteten sich. Bevor sie das Heulen eines Wolfes nachahmen konnte, sprang er auf und sagte zu seinem Bruder: »Lass uns aufbrechen, Johann!
Leise lachend sah anna
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