Gabe der Jungfrau
dem
Wolfsjäger, zog ihn dicht zu sich heran und schnupperte an dessen Kleidung und Haaren, sodass lautes Gelächter ausbrach.
»Der Einzige, der hier stinkt, bist du!«, schrie Veit und stieß Hans von sich, der stolperte und gegen die Saalwand torkelte. Während er seinen Dolch zurück in den Schaft steckte, fügte Veit drohend hinzu: »Komm mir nie wieder zu nahe! Das nächste Mal werde ich dich umbringen!«
Das laute Lachen Johanns durchbrach die plötzliche Stille, doch seine gute Laune wirkte aufgesetzt, denn er blickte grimmig drein.
Anna Maria schaute zaghaft in Veits Richtung. Sie erschauderte, als sich ihre Blicke trafen. Verhalten nickte Veit ihr zu, als seine augen sich plötzlich weiteten. Still und unbemerkt waren zwei Männer hinter anna Maria getreten, hatten sie an den Oberarmen gepackt und von der Bank gezogen. Schreiend versuchte die junge Frau sich zu wehren. Hilfesuchend blickte sie sich um und konnte in den augen der Burgbewohner zwar Mitleid, aber auch Spott erkennen. Niemand erhob sich, um ihr zu helfen. Veit aber wirkte wie gelähmt.
Die beiden Männer führten anna Maria vor den Landsknecht, der sie kalt anstarrte und erklärte: »Damit du nicht erneut auf dumme Gedanken kommst, lasse ich dich ins Verlies sperren und dich wie eine Gefangene behandeln. Wir werden uns erst wiedersehen, wenn du eine Vorsehung hast! Und hüte dich, mich hinters Licht zu führen. Ich erkenne eine Lüge, kaum dass sie ausgesprochen ist.«
Anna Marias augen baten Veit ihr zu helfen, doch er wandte sich ab, und auch Gerhild senkte den Blick. Hämisches Lachen begleitete die junge Frau aus dem Saal hinaus.
Frierend lag anna Maria auf dem Strohsack im Verlies. Es war so eisig in dem Gewölbekeller, dass das Gemüse in den Körben hart gefroren war. Selbst der dicht gewebte Pilgerumhang ihres Vaters und eine Decke, die die beiden Männer ihr zugeworfen hatten, änderten nichts daran, dass ihre Gliedmaßen taub vor Kälte waren.
Bellender Husten quälte anna Maria ebenso wie ihr schmerzender Rachen. Bei jedem Schlucken hatte sie das Gefühl, ihr Schlund sei aus rohem Fleisch.
Anna Maria hatte in den folgenden Tagen niemanden zu Gesicht bekommen, und niemand schien sie zu vermissen. Zwar wurde dreimal am Tag die schwere Eisentür geöffnet, doch derjenige, der ihr das Essen auf die obere Treppenstufe stellte, zeigte sich ihr nicht.
»Als ob ich die Pest hätte!«, klagte anna Maria leise.
Da sie kaum schlucken konnte, blieb das Essen unberührt. Das Einzige, was sie zu sich nahm, war das angewärmte Starkbier, das sie hastig trank, bevor es kalt wurde. auch linderte es den kratzenden Schmerz in ihrem Hals ein wenig und machte sie benommen.
Irgendwann verlor anna Maria jegliches Zeitgefühl. Sie befand sich in einer art Dämmerzustand und nahm ihre Umgebung nur noch verschwommen wahr.
Sie fiel in einen tiefen Schlaf, und es schien ihr, als schwebe sie durch das Verlies. Sie glaubte, wohltuende Wärme zu spüren und dass ihr jemand sanft über das Gesicht strich. Nur wenn der trockene Husten sie quälte, schreckte sie auf. Dann meinte sie, einen Streit zu belauschen. Jemand brüllte: »Sie wird sterben!«, und ein anderer entgegnete: »Sie ist ein zähes Weib!«
Anna Maria glaubte zu ersticken. Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappte sie nach Luft und konnte trotzdem nicht
durchatmen. Dann lullten heiße Dämpfe ihren Körper ein. Wohlriechende Kräuter erleichterten ihr endlich das atmen.
Als anna Maria wieder erwachte, befand sie sich erneut in ihrer alten Kammer. Behutsam strich sie sich über den Hals, der mit einem dicken Schal umwickelt war. Eine weiche Daunendecke bedeckte ihren Körper. Sie versuchte vorsichtig zu schlucken. als sie erneut das Kratzen im Hals spürte, hielt sie inne.
Ein angenehmer Duft lag im Raum. Sie entdeckte mehrere kleine Schalen, die auf Hockern um ihr Lager standen. Heißes Wasser dampfe in ihnen und verströmte den Kräutergeruch.
Gerhild betrat das Gemach. als sie sah, dass anna Maria erwacht war, sagte sie ohne eine Miene zu verziehen: »Das Leben scheint dich wiederhaben zu wollen!«
»Stand es so schlimm um mich?«, krächzte anna Maria.
Gerhild zuckte mit den Schultern und blieb ihr eine antwort schuldig. Stattdessen reichte sie ihr einen Becher.
»Hier, trink das! Warme Milch mit Honig. Normalerweise bekommen das nur die Kinder zu trinken, doch Veit sagt, das würde deinen Schlund heilen. Weiß der Himmel, wer ihm das verraten hat. auch die vielen
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