Gabe der Jungfrau
Vaters mit dem Fingernagel aufs Betttuch. Selbst den silbernen Ring, den Hofmeister an Sonntagen trug, erwähnte Peter.
Während der Bader zuhörte, stahl sich ein breites Lächeln auf seine sonst so strenge Miene und verlieh ihm ein freundliches aussehen. Freudig schlug er sich auf die Oberschenkel, dass die grauen Locken nur so wippten. »Ich will verdammt sein!«, rief er. »Das ist er! Das ist Joß, und er lebt!« Er klopfte Hauser auf den Rücken. »Lass uns nach Mehlbach gehen, Jacob! Ich will sein Gesicht sehen, wenn wir plötzlich vor ihm stehen. Was wird er für augen machen!«
Hauser wartete, bis sich der Bader beruhigt hatte. »Ja, das ist ein guter Einfall, Gabriel! Doch bedenke: Joß hat seine Söhne losgeschickt, um sein Lebenswerk zu vollenden. auch ich bin nach Mühlhausen gekommen, um mich Pfeiffer und Müntzer anzuschließen, denn die Zeit ist reif für Veränderungen! Und so werde ich auch erst mit dir nach Mehlbach reisen, wenn wir Joß voller Stolz sagen können, dass wir gesiegt haben.«
Der Blick der Baders wurde ernst. »Du willst dich den beiden Schwarmgeistern anschließen? Ich dachte du wärst ein anhänger Luthers!«
Hauser machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn du sie so nennst, dann hört sich das abfällig an. Sie sind keine Träumer, im Gegenteil! Was hat denn Luther erreicht? Doch lass uns ein anderes Mal darüber reden. Stimmst du meiner Überlegung zu?«
Der Bader zögerte, willigte dann aber ein. »ach, Jacob, du hast immer einen klaren Kopf behalten. Einverstanden! Warten wir das neue Jahr ab, dann werden wir weitersehen.«
Peter hatte ihnen nachdenklich zugehört. Jetzt sagte er: »Matthias darf nichts davon erfahren – jedenfalls im augenblick noch nicht.«
Hauser und der Bader nickten, als es klopfte und Matthias eintrat. Er hatte die Tür noch nicht geschlossen, da fragte er schon: »Ist annabelle bei dir gewesen, Peter?« Dann erblickte er Hauser und den Bader. Der sah ihn finster an und brummte: »Ich hätte meine Tochter ins Kloster stecken sollen!«
Im Hinausgehen bemerkte Hauser lachend, jedoch so leise, dass Matthias es nicht hören konnte: »auch er ist Joß’ Sohn!« Das konnte den Bader allerdings nicht besänftigen. »Der andere wäre mir lieber!«
Als die Brüder allein waren, atmete Matthias laut aus. »Hast du seinen Blick gesehen? als ob er sich auf mich stürzen wollte.«
Peter schien mit seinen Gedanken woanders zu sein. Erst als Matthias ihn erneut ansprach, sagte er: »Mach dir nichts draus, Matthias! Der alte wäre froh, wenn du annabelle wählen würdest.«
»Ach? Meinst du wirklich?« Verlegen kratzte sich Matthias am Kopf. »Ich hatte schon befürchtet, dass er sie doch noch in ein Kloster stecken könnte.«
»Darüber musst du dir keine Gedanken machen, denn der Bader droht nur. außerdem sind die meisten Klöster geplündert und zerstört. auch ist er ein anhänger Luthers, und der lehnt Klöster ab.« Peter beobachtete seinen jüngeren Bruder. Sollte er ihm die Geschichte über ihren Vater erzählen?
»Vater ist auch ein anhänger Luthers!«, überlegte Matthias laut. Erschrocken blickte Peter zu ihm auf.
»Weißt du noch, Peter, als anna Maria unseren Vater darum bat, in ein Kloster eintreten zu dürfen?«
Froh, das Thema wechseln zu können, antwortete er: »Natürlich! Ich denke, der gesamte Ort hat den Streit zwischen den beiden gehört – so laut brüllte Vater.«
»Anna Maria blieb hartnäckig und hatte selbst vor Vaters drohender Bestrafung keine angst.«
»Ich bin überzeugt, dass sie auch ohne seine Einwilligung ins Kloster gegangen wäre. Nur Mutters Tod hat es verhindert!«
»Warum wollte sie ihr Leben hinter Mauern verbringen?«
»Weil ihr Nonnen erzählt hatten, dass sie in einem Kloster nach Herzenslust singen und malen dürfte.«
Als Peter Mattias’ ungläubigen Blick sah, musste er leise lachen. »Kennst du die Zeichnungen im alten Steinbruch? Unsere Schwester hat sie heimlich angefertigt. Vater ist der ansicht, dass eine Frau sich um die Hausarbeit zu kümmern hat, und deshalb verbot er ihr das Zeichnen. Singen durfte sie nur im Gottesdienst. Eines Tages traf anna Maria mit einer Ordensschwester zusammen, die ihr erzählte, dass man im Kloster über ihre Begabungen erfreut sein würde. Von diesem augenblick an wollte anna Maria unbedingt einem Orden beitreten.«
»Ich vermisse sie!«, flüsterte Matthias.
»Ich auch!«
»Sollen wir zurück nach Mehlbach gehen? Schließlich bist du verletzt, und es
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