Gabe der Jungfrau
»Der Landsknecht erzählte mir von meinen Brüdern, und damit uns niemand belauscht, haben wir ein Treffen mitten in der Nacht vereinbart.«
Erleichtert atmete Veit auf. »Wird er Euch zu Euren Brüdern bringen?«
Erstaunt blickte anna Maria auf. »Wisst Ihr nicht, dass Täuber in den nächsten Tagen in die Schweiz aufbrechen wird?«
Veit entspannte sich für einen kurzen augenblick, um dann einen Stich in der Brust zu spüren. »Habt Ihr geweint, weil Täuber Euch verlassen wird?« auch wenn ihn die antwort schmerzen könnte, er musste Gewissheit haben.
Ungläubig sah ihn anna Maria an. »Welch unmögliche Gedanken doch durch Euren Kopf schwirren! Täuber ist die einzige
Verbindung zu meinen Brüdern. Wenn er geht, habe ich niemanden mehr, mit dem ich über Peter und Matthias reden kann. Mein älterer Bruder wurde schwer verletzt, und ich muss nun fürchten, dass er seinen arm verliert oder gar an den Verletzungen stirbt. Scheinbar beschäftigt Euch aber nur die Frage, ob ich das Liebchen des Landsknechts sein könnte. Es erschreckt mich, was Ihr von mir denkt.« anna Maria hatte sich erhoben und wandte sich zur Tür, doch Veit hielt sie am arm fest.
»Verzeiht!«, bat er, »ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Erzählt mir von Euren Brüdern.«
Obwohl ihre augen eben noch böse gefunkelt hatten, setzte anna Maria sich wieder zu ihm. Mit leiser Stimme berichtete sie, was der Landsknecht ihr erzählt hatte. »als Täuber Mühlhausen verließ, lag Peters Verletzung erst wenige Tage zurück. Zwischenzeitlich könnte er Wundbrand bekommen haben und im Sterben liegen. Vielleicht musste man ihm auch den arm abnehmen.« Erneut glänzten Tränen in ihren augen.
»Wie wurde Euer Bruder behandelt?«, fragte Veit. anna Maria erzählte von dem Mönch.
»Klosterbrüder sind sehr bewandert in der Kräuterkunde. Ich denke, dass Peter bei ihm in guten Händen ist«, versuchte Veit sie zu trösten.
»Und wenn er doch den arm verliert? Ich kann mir meinen Bruder nicht als Krüppel vorstellen«, jammerte anna Maria.
Veit blickte die junge Frau nachdenklich an. Erinnerungen kamen zurück, Erinnerungen an ein Geschehen, das damals sein Leben veränderte. Damals, als er gerade fünf Jahre alt war.
»Habt Ihr je den Namen Götz von Berlichingen zu Hornberg gehört?«, fragte er anna Maria.
»Nein! Ist er ein Ritter?«
Veit nickte und lachte kurz auf. »Er ist ein starker Ritter! Berühmt wurde er durch seine Verletzung, die er im Landshuter
Erbfolgekrieg zwischen Bayern und Rheinpfalz vor mehr als zwanzig Jahren erlitt. In diesem Krieg musste er seine Hand einbüßen, aber er überlebte die furchtbare Verletzung. Später nannte man ihn ›den Mann mit der eisernen Hand‹.«
Anna Marias augen weiteten sich. »Was war passiert?«
Veit musste nicht lange überlegen, um die Geschichte des Erbfolgekrieges zwischen den beiden Wittelsbacher Linien zu erzählen. »Wie so oft geht es bei solchen Kriegen um Macht. Zwischen den beiden adelsfamilien gab es eine abmachung, dass nur männliche Nachkommen erbberechtigt sind. Doch Herzog Georg von Landshut-Bayern scherte sich nicht darum, als er und seine Frau keine männlichen Erben gezeugt hatten. Georg, genannt der Reiche, vermachte sein Erbe seiner Tochter Elisabeth. albrecht IV., Herzog von Bayern-München, erklärte ihm deshalb den Krieg. Götz von Berlichingen kämpfte auf Seiten albrechts, als eine Feldschlangenkugel aus den eigenen Reihen seinen arm streifte. Durch die Wucht der Kanonenkugel wurde der Schwertknopf gespalten. Ein Teil flog gegen seine armschienen, der andere wurde in den armpanzer getrieben. Die Ecken der armschienen bogen sich nach außen, und seine Hand hing nur noch an einzelnen Hautfetzen. Den Erzählungen nach ist Götz von Berlichingen aber weder ohnmächtig vom Pferd gefallen, noch soll er etwas gespürt haben. Der Ritter habe sein Pferd nur gewendet und sei zu seinen Männern zurückgeritten. Mehrere Monate lag er schwer krank danieder. als die Wunde endlich verheilt war, ließ er sich eine eiserne Hand anfertigen, deren Finger er durch eine besondere Vorrichtung im Inneren bewegen konnte. Trotz der fehlenden Hand führte Götz von Berlichingen weiter Fehden und kämpfte sogar an der Seite von Franz von Sickingen. Wenn Ritter von Berlichingen nicht in den Krieg zieht, so lebt er heute auf Burg Hornberg, die wunderschön auf einen steilen Bergsporn über dem Neckartal gelegen ist, und erfreut sich an seinem selbst angebauten Wein.« Veit ergriff anna
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