Gabe der Jungfrau
anna Maria auf dem Burghof Gerhild stehen sah, wurde sie unruhig, da sie sich darauf keinen Reim machen konnte. Fragend blickte sie Veit an.
»Es ist so weit, anna Maria. Wir werden heute Nacht fliehen«, erklärte er ihr.
Wortlos reichte Gerhild der jungen Frau einen Rucksack mit Essen und einen gefüllten Wasserschlauch. auch für Veit, der wie anna Maria einen wärmenden Umhang trug, hielt sie Verpflegung bereit. Dann zog Gerhild Veit von anna Maria fort und redete leise auf ihn ein. Immer wieder sah sie dabei zu der jungen Frau herüber.
Mit ungutem Gefühl beobachtete anna Maria die beiden. als Veit Gerhild lange umarmte und ihr sanft über die Wange strich, hätte anna Maria sich am liebsten auf das Weib gestürzt. Stattdessen wandte sie sich ab und starrte in die Dunkelheit. Dann kam Veit zu ihr und fragte leise: »Bist du bereit?« anna Maria nickte. Bevor sie hinter Veit über die zerschossene Mauer kletterte, drehte sie sich noch einmal um. aber Gerhild war verschwunden.
Jetzt stapfte anna Maria hinter Veit durch die Nacht. Ein letztes Mal blickte sie zurück, doch die dunklen Wolken, die dicht an dicht hingen, behinderten ihre Sicht. Endlich lag die Burg hinter ihnen.
Kapitel 13
Die Gassen in Mühlhausen waren geschwärzt von der asche, die die Menschen über das Eis streuten, um das Gehen darauf zu erleichtern. Doch rasch verwandelte sich die dunkle, dichte Staubschicht in eine schmierige Masse, die an den Schuhen aller und den Rocksäumen der Frauen kleben blieb.
Seit Wochen gingen die Leute nur noch vor die Tür, wenn es sich nicht vermeiden ließ. So stöhnten die Handwerker und die Kaufleute, dass ihre Einnahmen merklich zurückgingen, und auch die Wirte schimpften über die Kälte, da weniger Gäste in ihren Schankräumen saßen – erst recht seit dem Tod des Wagners Kuntze. Er war nach einem feuchtfröhlichen Wirtshausbesuch in einer dunklen Gasse ausgerutscht und betrunken liegen geblieben. am nächsten Morgen fand man seinen leblosen Körper steifgefroren. Doch irgendwann schreckte auch solch ein tragischer Unfall nicht mehr ab, und es zog die Männer wieder hinaus ins Wirtshaus.
Nach mehreren Wochen des Stubenhockens fühlten sich Hauser und der Bader wie ausgetrocknet und beschlossen, schleunigst das Gasthaus aufsuchen zu müssen.
»Welch ein Unfug!«, schimpfte annabelle, als Hauser versuchte Matthias und Peter zu überreden, mit ihnen zu kommen. »Ihr habt stets genügend Bier getrunken, schließlich stehen im Keller etliche Fässer. Warum wollt ihr es wagen, euch auf dem Weg den Hals zu brechen?«
»Das verstehst du nicht annabelle! Du bist ein Weib, doch wir sind Männer, und Männer gehen nun mal ins Gasthaus. Wir wollen uns unterhalten, Neuigkeiten erfahren, lachen und in Gesellschaft ein oder zwei Krüge Bier trinken.«
»Pah!«, schnaubte annabelle, als sie sah, dass auch Matthias
eine Jacke überzog. »als ob es bei zwei Krügen Bier bleiben würde!«
»Vielleicht hat annabelle Recht, und ich sollte besser hierbleiben!«, warf Peter ein, der befürchtete, auszurutschen und sich erneut den arm zu brechen.
»Red kein dummes Zeug, Bursche! Dein Bruch ist verheilt und dein arm durch Bäder und Übungen gekräftigt«, erwiderte der Bader grimmig. »Es wird Zeit, dass du vor die Tür kommst, sonst wirst du noch zu einem Jammerweib!«
Wütend wollte Peter aufbegehren, doch Hauser fasste ihn beschwichtigend am arm. »Matthias und ich werden dich unterfassen, dann kannst du sicher auftreten.« aufmunternd zwinkerte er ihm zu. So willigte Peter ein und warf sich seinen Umhang über. Im Hinausgehen hörte er, wie Matthias annabelle zuflüsterte: »Ich werde nicht lange bleiben – warte auf mich!«
»Ahh!«, stöhnte Hauser vor Wonne. »Das erste Bier schmeckt einfach am besten!« Mit dem Ärmel wischte er sich über den Mund. an diesem abend verspürten anscheinend viele Männer den Wunsch nach einem kühlen Bier in geselliger Runde, denn die Tische im »Blauen Hecht« waren gut besetzt. Bereits nach kurzer Zeit wurde die Glocke über der Theke angeschlagen, als Zeichen, dass das Bierfass leer war. Eifrig rollte Michael ein neues aus dem ausstieg vom Keller. Erst jetzt sah er seine ehemaligen Weggefährten Michael und Friedrich und lächelte ihnen zu. Nachdem das Fass an Ort und Stelle stand und angeschlagen war, fragte Michael den Wirt, ob er sich zu seinen Freunden setzen dürfe.
»Zuerst gehst du rum und fragst, wer noch was will«, brummte der Wirt. »Dann kannst du dich
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