Gabe der Jungfrau
meiner abreise habe ich sie gemieden, weil unsere Väter sich nicht ausstehen können. Im Grunde ist
ihr Vater der Streithammel. Mein Vater hat stets versucht dem alten Nehmenich zu helfen, doch der hat jede Hilfe abgeschlagen. aber anstatt mich einen Teufel um die beiden alten Sturköpfe zu scheren, habe ich genau das getan, was man von mir erwartete.«
»Welche Gefühle hegt Susanna für dich?«
»Sie mag mich, das weiß ich. Doch ihr Vater hatte ihr Prügel angedroht, sollte sie sich wieder mit mir treffen.«
»Und du bist dir deiner Gefühle für sie ganz sicher?«
Peter nickte.
»Dann musst du sie aufsuchen, sobald du zurück bist. Wohnt sie auch in Mehlbach?«
»Nein, einen Ort weiter, in Schallodenbach.«
»Erzähl mir von eurer Heimat.«
»Hat Matthias das nicht getan?«
»Doch, aber jeder sieht es anders.«
In bunten Bildern beschrieb Peter Mehlbach und den Hofmeister Hof, erzählte ihr von seinen Brüdern Jakob und Nikolaus und schilderte alles so, dass annabelle es sich vorstellen konnte.
»Unsere Schwester anna Maria würde dir gefallen. Ihr gleicht euch, und das nicht nur vom Namen her.«
»Ja, ich fand es lustig, als Matthias mir ihren Namen nannte.«
»Vater hat uns unsere Namen gegeben, und er wählte jeden mit Bedacht. Er sagte stets, dass er aus Tradition, Dankbarkeit und tiefem Glauben heraus Namen aus dem alten Testament ausgesucht hätte. Mein Name bedeutet ›Fels in der Brandung‹, weil mein Vater früh von mir angenommen hat, dass ich auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf bewahren würde.«
»Wie konnte er wissen, wie du sein würdest?«, fragte annabelle.
Peter lachte in sich hinein. »Genau dieselbe Frage habe ich ihm auch gestellt. Er sagte mir, dass ich damals, als er mich
das erste Mal auf dem arm hielt, sein Gesicht genau betrachtet hätte. Und dann sei ich ganz friedlich eingeschlummert. Vater lachte verschmitzt und erklärte mir, dass er der Meinung sei, dass wer bei seinem anblick unbekümmert schlafen könne, sich auch sonst durch nichts erschüttern ließe! Und so nannte er mich Peter.«
Annabelle lächelte und wollte dann wissen: »Und was bedeuten die Namen deiner Geschwister?«
»Bei Jakob ist das einfach zu erklären«, fuhr Peter fort. »Jakob ist im alten Testament der Stammvater, und da mein Bruder Jakob der Erstgeborene ist, wurde er nach ihm benannt. Matthias wäre bei der Geburt beinahe gestorben. Stunde um Stunde hat Vater für ihn gebetet. als der Tod gebannt und das Leben den Kampf gewonnen hatte, nannte er ihn deshalb Matthias – Geschenk Gottes. anna Maria ist sein augenstern, verständlich, schließlich ist sie das einzige Mädchen. Da Maria als Vorname wenig gebräuchlich war, nannte Vater sie anna Maria. anna bedeutet Liebreiz, und liebreizend ist sie wahrhaftig. als mein jüngster Bruder geboren wurde …« Peter geriet mit einem Mal ins Stocken und verstummte dann ganz. Ungeduldig wartete annabelle, dass er weitersprach, doch Peter war schlagartig bewusst geworden, dass sein Vater bei Nikolaus’ Geburt weit fort gewesen war. Ein weiterer Beweis für Hausers Verdacht, dass hinter Daniel Hofmeister tatsächlich Joß Fritz steckte.
»Also, was war nun bei der Geburt deines jüngsten Bruders?«, hakte annabelle nach, als Peter noch immer schwieg.
»Mein Vater weilte damals nicht zu Hause in Mehlbach, und so musste meine Mutter sich allein einen Namen überlegen. Sie wählte Nikolaus für ihren vierten Sohn. als Vater schließlich zurückkehrte, hatte sie den Namen schon ins Kirchbuch eintragen lassen. Er fand den Namen unpassend für einen Bauernsohn, konnte ihn aber nicht mehr ändern lassen. Deshalb gab er meinem kleinen Bruder einen zweiten Namen: adam, wie der
erste Name im alten Testament. Und so hatten wir schließlich alle biblische Namen.«
»Und dein Vater hat sein Vorhaben bei allen seinen fünf Kindern in die Tat umgesetzt«, strahlte annabelle. »Hat denn sein eigener Name auch eine Bedeutung?«, wollte sie von Peter wissen.
Peter zögerte einen Moment, doch dann antwortete er mit einer Stimme, die fremd klang: »Ja, und ich finde, dieser Name passt am besten zu seinem Träger. Daniel bedeutet: Gott sei mein Richter!«
»Wie meinst du das?«, fragte annabelle erschrocken.
»Ich hoffe, dass kein weltliches Gericht jemals über meinen Vater richten wird. Nur Gott allein soll über ihn richten, denn Gott ist stets auf der Seite der Gerechten.«
Bevor annabelle noch etwas erwidern konnte, war Peter schon aufgestanden und
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