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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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Sonnenstrahlen vertrieben anna Marias ängstliche Gedanken, und als sie einige Tage später auf einer aue die ersten bunten Blütenköpfe entdeckte, sprang sie wie ein junges Pferd vergnügt durch das Gras.
     
    Veit stellte derweil fest, dass sie bereits länger unterwegs waren, als Täuber für die Reise veranschlagt hatte. Zuerst befürchtete Veit, dass sie sich verirrt haben könnten oder im Kreis gegangen waren. Doch im nächsten Dorf, in dem sie etwas zu essen kauften, erklärte ihm ein Bäuerlein, dass sie nur noch wenige Tage von Mühlhausen entfernt seien.

    Jeden Tag trieben die beiden Wolfsjäger ihre Pferde bis zur Erschöpfung an – besonders seit Hans in einem Dorf von einem Bauern erfahren hatte, dass ein Mann, der nach der Beschreibung
des alten nur Veit gewesen sein konnte, sich erst kurz zuvor nach dem Weg nach Mühlhausen erkundigt hatte.
    Auch heute waren die Pferde von dem harten Ritt nass geschwitzt und hatten Schaum vorm Maul. Trotzdem trat Hans seinem Ross immer wieder in die Flanke. Karius blieb keine andere Wahl, als es ihm gleichzutun, und auch er peitschte sein Pferd vorwärts.
    Erst als die Nacht hereinbrach und man kaum noch etwas erkennen konnte, brachte Hans sein Pferd in den langsamen Schritt. Karius zügelte seinen Gaul ebenfalls und ritt neben Hans. »Wann rasten wir?«, maulte er und stellte sich in den Steigbügeln auf. »Mich schmerzt jeder Knochen im Leib.«
    »Horch, was ich dir sage! Wir müssen uns eilen, damit wir den Vorsprung des Wolfsbanners aufholen.«
    »Seit Tagen gönnen wir uns kaum eine Rast. Sicher sind er und das Weib längst in Mühlhausen angekommen!«, schimpfte Karius und rieb sich das Gesäß.
    Der Wolfsjäger schüttelte den Kopf. »Die beiden sind zu Fuß unterwegs und werden meist den Schutz der Wälder suchen. Das kostet Zeit.« Hans lachte hämisch. »Wie alle Weibsbilder wird die Seherin jammern, und Veit muss deshalb öfter rasten.«
    »Warum sollten sie durch die Wälder gehen, wenn die Reitwege kürzer sind?«
    »Du Hohlkopf!«, schrie Hans. »Veit führt die jungen Wölfe mit sich und kann deshalb nur abseits der Wege gehen.«
    »Aber wie willst du sie da finden?«
    Der alte Wolfsjäger hob den Kopf und reckte die Nase in die Höhe. »Den Gestank der Wölfe und des Wolfsbanners kann ich aus der Ferne riechen. Horch, was ich dir sage! Meine empfindliche Nase hat mich zu einem der besten Wolfsjäger weit und breit gemacht.«
    »Wenn …«, begann Karius erneut, wurde jedoch von Hans unterbrochen. »Halt’s Maul, und such lieber einen Unterstand.«

    Am Rand einer Lichtung stand ein zerfallener Schuppen, der ihnen als Nachtlager dienen würde. Während Karius die Pferde absattelte und mit Grasbüscheln trocken rieb, suchte Hans nach Laub und Ästen, um den festgetretenen Boden im Unterstand zu polstern. Nach einem Mahl, das aus einem verschrumpelten apfel und einem trockenen Stück Brot bestand, labten sie sich an Johanns Bier, das Hans heimlich in ihre Wasserschläuche gefüllt hatte.
    »Das war schlau von dir!«, feixte Karius und reichte Hans das Behältnis. Zwischen zwei Schlucken sagte der Wolfsjäger verbittert: »Johann wird spüren, was es heißt, mich zu hintergehen. Ich werde seinen Bruder, den Wolfsbanner, in Stücke hauen. Schlaf jetzt! Wir werden vor Morgengrauen aufbrechen.«
    »Was springt für mich dabei heraus?«, fragte Karius unzufrieden.
    Hans gähnte. »Horch, was ich dir sage! Wenn ich mit der Hure fertig bin, gehört sie dir!«

    In der Ferne konnte anna Maria bereits die Turmspitzen der Kirchen von Mühlhausen erkennen. Ein Gefühl von Glück durchströmte ihren Körper, da sie ihren Brüdern endlich nahe war.
    »Bald!«, flüsterte sie. »Bald werde ich euch wiedersehen!«
    Leichter Wind wehte ihr ins Gesicht, als sie die augen öffnete. Veit stand vor ihr und lächelte sie an.
    »Ich kann es kaum erwarten!«, rief anna Maria und schmiegte sich in seine arme.
     
    Veit genoss das Vertraute, das sich auf der Flucht zwischen ihnen entwickelt hatte, und er konnte sich ein Leben ohne anna Maria nicht mehr vorstellen. Jede Faser seines Körpers verlangte nach ihr, und von Tag zu Tag fiel es ihm schwerer, standhaft zu bleiben – besonders nachts, wenn die Wärme ihres Körpers
ihn erregte. Nacht für Nacht streichelte anna Maria ihn zärtlich, schmiegte sich eng an ihn, weil sie geliebt werden wollte. Nur mit Mühe konnte er dann nach draußen flüchten, um in der kühlen Nachtluft wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Stets

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