Gabe der Jungfrau
›Und schwankte nicht ein mancher in seiner Überzeugung?‹
›Nein‹, beruhigte er sich selbst, ›sie werden die Rücksichtslosigkeit des adels nicht vergessen haben. Besonders die Frankenhauser werden sich daran erinnern, wie Graf Ernst von Mansfeld während des ausbaus seiner Festung Heldrungen die Bauern zu Frondiensten zwang, sodass ihre Äcker nicht bestellt werden konnten. Warum sonst nannten sie den Grafen einen Tyrannen, der keine Rücksicht auf die Bedürfnisse seiner Untertanen nahm?‹
»Auch wenn ich nur Prophet und kein Soldat bin, werden sie doch auf das hören, was ich ihnen sage. Mit der Kraft meines
Glaubens und der Gewalt meiner Worte werde ich sie überzeugen, mir zu folgen!«, sprach Müntzer sich selbst Mut zu. Dann stieg er von der Stadtmauer hinunter und ging hinaus, um den Bauernrebellen zu predigen.
Mit sorgsam gewählten Worten erinnerte sie Müntzer an die Gerechtigkeit ihrer Sache. auch sprach er ihnen Mut zu, in den Kampf zu ziehen. Vor allem aber schürte er erneut ihren Hass auf den adel.
Um seinen Worten Taten folgen zu lassen, ließ Müntzer drei Gefolgsleute des Grafen Ernst von Mansfeld, die in die Gefangenschaft des Frankenhauser Haufens geraten waren, öffentlich hinrichten, um auch dem letzten unentschlossenen Bauern seine Stärke zu zeigen.
Thomas Müntzer wusste die Rebellen nach dieser Predigt zwar auf seiner Seite, doch um seinen Kriegsplan stand es schlecht. Leichsinnig war er einem Händler aufgesessen, der das Geld genommen, aber kein Schießpulver geliefert hatte. Nun waren sechstausend Frankenhauser mit Hakenbüchsen und Geschützen ausgestattet, aber es fehlte an Pulver, um die Kugeln abfeuern zu können.
Müntzer musste sich einen neuen Plan überlegen, denn die vereinigten Heere der Fürsten näherten sich Frankenhausen immer mehr – unter ihnen mehr als zweitausendfünfhundert Berittene. Obwohl Müntzer mehr Fußsoldaten auf seiner Seite hatte, wusste er, dass sie gegen die beweglichen und kampferprobten Reiter machtlos waren.
Die Bauernhauptmänner beratschlagten und einigten sich, dass man eine Wagenburg auf dem Feld vor dem Frankenhauser Stadttor errichten würde, die bis an die Stadtmauer heranreichen sollte.
Die Wagen, die man zum Transport von Waffen oder Verpflegung
benötigt hatte, wurden in einem großen Halbkreis vor dem Stadttor aufgestellt. So entstand ein weiter, geschützter Platz, der zusätzlich mit einem Graben umgeben wurde, um die Pferde und ihre Reiter auszubremsen und die eigenen Leute vor überraschenden angriffen zu schützen.
Als die Wagenburg fertiggestellt war, lagerten viele aufständische dahinter – unter ihnen auch die Burschen Friedrich, Michael, Johannes, Peter und Matthias. Es war bereits Mittag, als Hauser sich zu ihnen gesellte. Die Regenbogenfahne hatte er stets bei sich und gab sie nicht aus der Hand.
»Wie geht es euch?«, fragte er die Burschen, die ihn aus müden augen anblickten. Zur aufmunterung verteilte er einen Laib Brot unter ihnen.
»Ich wüsste etwas Schöneres, als hier zu sitzen«, versuchte Johannes zu scherzen, während er an einem Stück Brot kaute.
»Das kann ich mir vorstellen!«, stimmte Hauser ihm zu. »Habt ihr Bewegungen auf der anderen Seite beobachten können?«, fragte Hauser und sah hinüber zu den fürstlichen Heeren.
Peter zeigte mit dem Finger zwischen die Bäume und erklärte: »Leichte Geschütze wurden auf den Wegen aufgestellt. auch haben Soldaten dort Stellung bezogen.«
»Ja, ich weiß! Ich konnte sie bereits von der Stadtmauer aus sehen«, grummelte Hauser kauend. »Sie werden die Wagenburg umstellen, damit wir nicht in den Kyffhäuser Wald ausbrechen können«, überlegte er. »Doch dank des Hausbergs liegen zwischen uns und den Truppen fast fünfhundert Schritte Höhenunterschied. Und die gilt es erst einmal zu überwinden. Zumal die adeligen bei einem angriff nicht über den Hauptweg kommen können, da er südlich um die Stadt verläuft. Ihnen bleiben nur die schlechten, unwegsamen Wege, und die kosten Kraft und Zeit.« Er nahm einen weiteren Bissen Brot und fuhr
dann fort: »Sie werden versuchen uns mit ihren Geschützen aus der Wagenburg und der Stadt hinauszutreiben, um uns dann mit Reitern anzugreifen.«
Michael wurde bleich, und auch Johannes blickte Hauser ängstlich an. »Werden wir sterben?«, flüsterte Michael. Nachdenklich blickte Hauser die Burschen an. »Wenn es losgeht, schaut stets, wo meine Fahne weht, und kommt zu mir. Ich werde euch
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