Gabe der Jungfrau
worum ihn jeder beneidete.
»Das ist halt das Recht des Bauern!«, grummelte der älteste Knecht Hermann mürrisch, als er den Kragen seines Kittels höher zog und das Haus verließ, um in der Kälte Eis zu schlagen.
Peter war noch nicht vollständig genesen. Zwar hatte sich die Wunde geschlossen, aber der Muskel, der beim Herausziehen des Pfeils zerrissen war, bereitete ihm weiterhin Schmerzen. auch konnte er den arm noch nicht ganz strecken und belasten, und so wurden ihm nur leichte arbeiten aufgetragen.
Als anna Maria mit Kohlköpfen unter dem arm aus dem Vorratskeller in die Küche kam, saß Peter dicht vor der wärmenden Feuerstelle und schnitzte Kienspäne. Sie setzte sich neben ihn und schnippelte das Gemüse in kleine Stücke, aus dem sie einen Eintopf kochen sollte.
»Gibt es schon wieder Gemüsebrühe?«, fragte er mürrisch. anna Maria stutzte. »Eintopf wärmt von innen«, antwortete sie.
»Mir kommt die wärmende Brühe schon zu den Ohren heraus! Wann gibt es wieder einen anständigen Braten? Der würde mich noch mehr erwärmen.«
»Ist dir nicht wohl?« Freundlich blickte sie ihn an. Peter antwortete nicht, sondern hielt seinen Kopf nach vorn gebeugt. Er schabte das Holz ab, dass die Späne nur so flogen, und anna Maria erkannte, dass ihn irgendetwas verärgert haben musste.
»Wenn es deine Laune hebt, dann hole ich dir getrocknete apfelscheiben aus dem Vorratskeller.«
»Pah, die kannst du selbst essen.«
»Herrgott, Peter! Was ist los mit dir? Hab ich dir etwas getan, dass du so unwirsch mit mir sprichst?«
Laut seufzend blickte er sie an.
»Hast ja Recht, anna Maria, du kannst wahrlich nichts dafür. aber diese ewige Kälte spüre ich in meiner Schulter. Seit Monaten sitze ich nur untätig herum oder verrichte Weiberarbeit. Ich will endlich wieder aufs Feld! Selbst die Ställe mit Laub auszustreuen ist besser, als nichts zu tun. Ich kann es kaum erwarten, wieder richtig anpacken zu können, und ich hoffe, dass sich das Wetter endlich ändert, damit man durch die Wälder streifen und samstags …« Er schwieg einen Moment, dann fügte er leise hinzu: »… nach Katzweiler gehen kann.«
»Was willst du dort? Etwa zum Tanz?«
Als eine feine Röte seine Wangen färbte, sagte sie lachend: »Sag nichts! Ich weiß es: Susanna Nehmenich heißt das Zauberwort!« Ertappt lächelte Peter.
»Erzähl mir von ihr!«, forderte anna Maria ihn auf, und als er zögerte, versprach sie: »Ich werde weder lachen noch unser Geheimnis weitererzählen.« als er noch immer nichts sagte, fragte sie ihn direkt: »Weiß Susanna, was du für sie empfindest?«
Hilflos zuckte er mit den Schultern.
»Wir haben uns einige Male getroffen.«
Anna Maria hielt mit dem Schneiden des verschrumpelten Kohlkopfs inne. Erwartungsvoll waren ihre augen auf ihren Bruder gerichtet, aber als er nicht weitersprach, forderte sie ihn ungeduldig auf: »Jetzt erzähl endlich, und lass dir nicht jedes Wort wie einen Wurm aus der Nase ziehen!«
»Ich durfte ihre Hand halten, sie ist so wunderschön. Ich würde sie sofort heiraten!«
Jetzt staunte anna Maria. Die Nehmenich und schön? Sie versuchte sich an Susanna zu erinnern: fade braune Haare, Sommersprossen auf Wangen und Nasenrücken, zudem abstehende Ohren und eine dickliche Figur. ›Was an ihr ist denn so wunderschön?‹, dachte anna Maria bei sich, schwieg jedoch.
»Meinst du nicht, dass du noch zu jung bist, um ans Heiraten zu denken?«, versuchte sie dann vorsichtig einzuwenden.
»Wenn ich Hoferbe wäre, würde ich Susanna sofort fragen.«
»Du bist aber nicht der Hoferbe! Das ist Jakob! außerdem ist Susanna die Tochter eines unfreien Bauern – Vater würde, selbst wenn du der älteste Sohn wärst, niemals zustimmen.«
»Dann ist es ja gut, dass ich nicht Hoferbe bin, denn so kann ich eines Tages den Hof verlassen und gehen, wohin ich will.« Peter klang wütend.
»Auch dafür benötigst du Vaters Zustimmung«, wies anna Maria ihren Bruder zurecht. Sie warf den klein geschnittenen Kohl in das kochende Wasser und stand auf, um verschiedene Gartenkräuter hinzuzufügen, die getrocknet in Töpfen auf einem Brett standen.
»Wie ich das hier alles hasse!«, rief Peter erregt.
»Wenn Matthias so sprechen würde, könnte ich es verstehen. aber wenn du so etwas sagst, dann muss doch noch etwas anderes dahinterstecken«, meinte anna Maria nun und sah ihren Bruder fragend an.
»Ich bin zu nichts mehr nütze!«, entfuhr es Peter nun.
Ach, daher wehte der Wind!
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