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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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die Knochen weh, was ein Zeichen dafür ist, dass es kälter wird. Die Herbststürme werden bald übers Land fegen.«
    Erleichtert schwieg anna Maria, als ein langgezogenes Jaulen zu hören war.
    »Was wirst du jetzt machen, Ruth? Du kannst nicht mit den Kindern allein hierbleiben.«
    »Ich weiß!«, flüsterte die Witwe. »Ich werde die bereits abgeschnittenen Kastanienstöcke zum Grundherrn bringen und den restlichen Lohn verlangen. Er ist ein harter Mann und wird kein Mitleid mit mir haben und mich fortschicken. So muss ich
schauen, wo ich mit den Buben den Winter verbringen kann. Es wird nicht leicht werden, arbeit zu finden«, seufzte sie.
    »Geh zu Götze!«
    »Ins Dirnenhaus? Nie und nimmer werde ich das tun!«, rief Ruth aufgebracht.
    »Götze ist ein guter Mann! Vielleicht kannst du in der Küche helfen.«
    »Du hast anscheinend keine Hemmungen gehabt, in diesem anstößigen Haus zu nächtigen. aber ich habe zwei kleine Kinder! Was denkst du dir dabei, mir solch einen Vorschlag zu machen?«
    »Falscher Stolz ist hier nicht angebracht, Ruth!«
    Ruth drehte anna Maria daraufhin den Rücken zu und sagte kein Wort mehr.
    Irgendwann verrieten die gleichmäßigen atemzüge, dass die junge Witwe eingeschlafen war. anna Maria aber fand keine Ruhe. Nicht nur Ruths Schicksal raubte ihr den Schlaf, auch der Gedanke an ihre eigene Zukunft hielt sie wach. Was sollte sie machen? Zwei Tage war sie nun schon hier, und der abstand zu ihren Brüdern wuchs. Gab es überhaupt noch Hoffnung, dass sie sie fand, bevor der erste Schnee kommen würde? War ihr Plan nicht von anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen? Vielleicht wäre es besser, wenn sie umkehren würde? Über diesen quälenden Fragen schlief anna Maria schließlich ein. Sie träumte von einem schneebedeckten Schlachtfeld und einem Ritter, der sein Schwert schwang, um die Überlebenden zu töten.
     
    Schweißgebadet und nach Luft keuchend, erwachte anna Maria. Ihre Wangen waren nass von den Tränen, die sie im Schlaf geweint hatte.
    »Ich muss fort! Ich muss meine Brüder finden!«, flüsterte sie. Doch ein Blick zur Fensterluke zeigte ihr, dass es tiefe Nacht
war. Unruhig wälzte sie sich hin und her und wartete, dass die Morgendämmerung hereinbrach.
     
    Schweigend hatten Ruth und anna Maria die abgeschnittenen Kastanienstämmchen auf den kleinen Karren geladen, den die beiden Ziegen ziehen würden. als auch die wenigen Habseligkeiten von Ruth und den Kindern verstaut waren, war es Zeit, abschied zu nehmen.
    Nachdem sie sich lange umarmt hatten, sagte Ruth: »Ich weiß, dass du deinen Vorschlag, bei Götze unterzukommen, nur gut gemeint hast. Ich weiß auch, dass ich als Witwe mit zwei kleinen Kindern nur schwerlich eine arbeit finden werde. Trotzdem muss es einen anderen Weg geben.« Dabei blickte sie sorgenvoll zu ihren Söhnen. anna Maria konnte ihre Bedenken verstehen und hatte bereits in der Nacht einen Einfall gehabt, von dem sie Ruth nun erzählte: »Geh mit deinen Kindern nach Mehlbach, auf den Hof meines Vaters. Sage ihm, dass ich dich schicke, und erkläre ihm deine Lage. Wenn er von mir hört, dann wird er dir sicherlich helfen.«
    Ungläubig hatte Ruth zugehört. »aber …«, stammelte sie, wurde jedoch sofort von anna Maria unterbrochen: »Sag ihm, dass du in Tante Kätsches Kate wohnen könntest.«
    Überglücklich umarmte Ruth das Mädchen. Plötzlich zerrte ein kalter Wind an ihren Kleidern. Ängstlich blickte anna Maria zum Waldesrand. Durch die heftigen Windstöße fielen die gelb gefärbten Blätter zu Boden, und es sah aus, als regne es Blätter.
    »Komm mit uns!«, flehte Ruth, doch anna Maria schüttelte den Kopf.
    Als die Frau erkannte, dass nichts das Mädchen umstimmen würde, lief sie zurück in die Hütte und kam mit mehreren Klumpen erkalteter Kohle zurück.
    »Ist das dein abschiedsgeschenk?«, lachte anna Maria beim anblick der Kohlen.

    »Ich weiß nicht, ob es wirken wird, aber wenn du dir einen schwarzen Punkt auf die Stirn malst – vielleicht schützt dich das vor den Wölfen!«
    »Sehr überzeugend klingt das nicht. Schließlich sagtest du etwas von einer Zauberformel, die der Schäfer gesprochen haben soll.«
    Zerknirscht nickte Ruth. Dann erhellte sich plötzlich ihr Gesicht: »Ich erinnere mich, dass er murmelte: Wölfe hinweg mit euch! Oder so ähnlich.«
    Nun musste anna Maria laut lachen. »Dann mal mir den schwarzen Punkt auf die Stirn. Schaden wird es sicher nicht.«
    Ruth tat wie ihr geheißen, und anschließend

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