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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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verstaute anna Maria die übrigen Kohlestücke in ihrem Beutel.
    »Vergiss nicht, den Punkt immer wieder zu erneuern!«, ermahnte Ruth das Mädchen. Beide umarmten sich ein letztes Mal, bevor Ruth mit ihren Kindern den Weg entlang des Tals einschlug.
    Anna Maria sah ihnen nach. Dann atmete sie tief ein, sprach sich Mut zu und betrat den dichten Wald.

Kapitel 10
    Nachdem man den jungen Männern die Hände vor dem Bauch zusammengebunden hatte, wurden sie nacheinander vom Karren gestoßen und durch die umstehende, grölende Menschenmenge getrieben. Keiner der Gaffer zeigte Mitleid.
    Zwei Verurteilten liefen Tränen über die Wangen. Verzweifelt versuchten sie ihre Handfesseln zu zerbeißen. Zwar bluteten ihre Lippen von den groben Seilen, aber gegen die dicken Fesseln konnten sie nichts ausrichten.
    Ein Todgeweihter flehte die Umherstehenden laut um Gnade an, doch er wurde nur verspottet.

    Die beiden letzten Burschen, die die Leiter zum Hinrichtungsplatz hinaufwankten, blieben stumm. Nur in ihren Gesichtern konnte man lesen, dass sie Todesangst hatten.
    Dem Scharfrichter war das Gebaren der Todgeweihten einerlei. Für ihn zählte nur der Lohn, der in seiner Tasche klimperte.
     
    Ein Fremder, den hier niemand kannte, stand bewegungslos zwischen den Zuschauern. Ihm war klar, dass nichts die Burschen retten würde. Die fünf hatten gewusst, auf was sie sich einließen, und sie hatten gewusst, dass ihnen dafür der Tod drohen könnte. Trotzdem waren sie das Wagnis, sich den rebellischen Bauern anzuschließen, eingegangen. Jung waren sie! Viel zu jung, um unter dem Beil zu sterben.
    Der Blick des Fremden wanderte zu Herzog Ulrich, der inmitten seines Gefolges auf einer Tribüne saß und gelangweilt über die Verurteilten hinwegsah – so als gehe ihn die Hinrichtung nichts an. Dabei war er es gewesen, der über die Burschen das Todesurteil verhängt hatte.
    Sie waren des Versuchs für schuldig befunden worden, heimlich die Tore der Residenzstadt für die aufständischen zu öffnen. Wäre es ihnen gelungen, hätten die fünf den Herzog wahrscheinlich umgebracht – so glaubte der.
    ›Und es wäre rechtens gewesen‹, dachte der Fremde. Unersättlich war die Gier des Herzogs nach dem Wenigen, das den Bauern blieb. Immer mehr hatte er gefordert, obwohl die Zeiten schlecht waren. Für diese Habgier sollte er eine gerechte Strafe erhalten.
    ›Diesmal konnte ich dir nichts anhaben, aber meine Zeit wird kommen und die deine vorüber sein‹, dachte der Fremde zornig.

    Sein Blick blieb an einem alten Mütterlein hängen, das starr auf einen der Verurteilten stierte. Die Lippen der Greisin formten leise einen Namen. »Jörg!«, flüsterte sie.
    Als hätte der Bursche seinen Namen gehört, schaute er in ihre Richtung. Sein Mund verzog sich zu einem gequälten Lächeln. Er hob seine zusammengebundenen Hände und grüßte die alte. Im selben Moment entwich ein Klagelaut ihrer Kehle, und sie schluchzte auf. Mitfühlend legte der Fremde seinen arm um ihre Schultern. als er wieder zum Henkersplatz sah, blickte er in die augen des jungen Mannes, der keine Miene verzog. Beide Männer starrten sich an. Der Fremde hielt den Blick des Burschen stand und dachte, nein, der Mann konnte unmöglich wissen, wer er war. Doch er schien es zu ahnen. Ohne den Blick abzuwenden, kniete der Verurteilte nieder und begann das Vaterunser zu beten. Dann sagte er laut das ave Maria auf. Zögerlich taten die anderen vier es ihm gleich.
    Niemand störte sie, denn letzte Gebete durften zum Tode Verurteilten nicht versagt werden. als sie Vaterunser und ave Maria zu wiederholen begannen, wurde der Henker ungeduldig, was die Todgeweihten jedoch nicht davon abhielt, beide Gebete fünfmal zu sprechen. Dann erhoben sie sich.
    Kaum wahrnehmbar nickte der Fremde ihnen nun zu und zeigte, dass er verstanden hatte. Nur Eingeweihte kannten die geheime absprache, Gebete fünfmal zu sprechen, um so zu zeigen, dass man dazugehörte. Jörg flüsterte seinen Kameraden etwas zu. Daraufhin schlossen alle fünf für einige atemzüge die augen und blickten anschließend regungslos in die Menge. Nun wusste der Fremde, dass die Burschen ihm nicht grollten und in Frieden sterben würden.
    Wieder blickte er die alte Frau an. Tränen liefen über ihr zerfurchtes Gesicht.
    Dann verstummte die Menschenmenge, und ein dumpfer Schlag war zu hören. Der erste Kopf war zu Boden gefallen,
und die Gaffer applaudierten laut. Erneut hob der Schafrichter das Beil. Die Menge johlte. als der letzte

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