Gabe der Jungfrau
Leben ändern!‹
Vergeblich versuchte er die Erinnerung zu unterdrücken. aber sie kam an diesem frühen Morgen mit aller Macht unerbittlich zurück. Er schloss die augen und dachte, um sich abzulenken, an das Gespräch mit seinem Freund, dem Landsknecht Kilian.
Bei dem Gedanken an seinen alten Wegbegleiter überzog sogar ein leichtes Lächeln sein Gesicht. Doch nur für einen kurzen augenblick, dann wurde sein Blick hart.
»Verdammt«, fluchte Hofmeister leise. Kilian hatte Recht! Joß Fritz war zu anderem berufen, als seinen Lebensabend als alter Bauer zu verbringen.
Schon damals, als er bereits einige Jahre als Daniel Hofmeister in Mehlbach lebte, hatte er es gewusst und diese Unruhe gespürt, die auch jetzt wieder Besitz von ihm ergriff.
Seine Kinder waren noch nicht geboren gewesen, als sich die Kunde übers Land verbreitete, dass Pest und Hunger den Menschen zusetzten. Eine große Dürre hatte die Ernte vernichtet, sodass sich kaum einer satt essen konnte. Menschen starben wie Fliegen. Die Lebenden aber konnten ihre abgaben nicht bezahlen, und kein Bitten, kein Drohen konnte den Bischof von Speyer umstimmen. Er ließ seine Steuereintreiber ausschwärmen, damit sie auch das Letzte aus den Bauern herauspressten.
Obwohl sein Hof als freier Bauer von den abgaben verschont blieb, wuchs in Hofmeister der Groll. Er wusste, dass die Bauern ohne einen anführer, der sie wachrütteln und lenken konnte, keine aussicht hatten, sich gegen die allmacht des adels und des Klerus zu wehren.
Hofmeister wusste auch, dass er einer der wenigen war, der die Fähigkeit hatte, die Bauern anzuführen – das hatte er bereits in früheren Zeiten bewiesen. Er konnte Menschen begeistern und selbst das einfache Volk dazu bringen, ihm zuzuhören, denn er redete und verstand ihre Sprache.
Doch Hofmeister zögerte, seine Tarnung aufzugeben. Denn alles stünde auf dem Spiel, würde er sein neues Leben als freier Bauer mit dem Leben eines aufständischen tauschen.
Als jedoch eines Tages ein Wanderprediger von dem Unmut der Bauern in Bruchsal berichtete, wusste Hofmeister, dass seine Zeit gekommen war und er handeln musste. Das war leichter gesagt als getan, denn zwischenzeitlich war er verheiratet. Doch es war ausgerechnet seine Frau Elisabeth, die ahnungslos eines Tages eine Lösung anbot. Mit Tränen in den augen blickte sie von ihrer Flickarbeit auf und sagte mit bebender Stimme: »Im Morgengrauen ist nun auch das letzte von Bauer
Melchiors acht Kindern an Hunger gestorben. Seine Frau ist ebenfalls schwach und kränklich, und das Schlimmste steht zu befürchten. ach, Daniel, so kann es nicht weitergehen! Wenn sich doch einer unser erbarmen und sich auf den Weg ins Heilige Land begeben würde, um für uns zu beten.«
Ohne weiter darüber nachzudenken, erklärte sich Hofmeister zu einer Wallfahrt bereit. Seine Pilgerreise endete jedoch im Bistum Speyer. Hier war er geboren, hier kannte er sich aus. Und hier trat er wieder als Joß Fritz auf.
Beim Gedanken an seine Reden erfasste Hofmeister Stolz, und er drängte sich in der Küche dichter vor den wärmenden Herd.
Damals in Bruchsal und Untergrombach hatte er seinen anhängern zugerufen, dass man die abschaffung der Leibeigenschaft fordern würde. auch die Verteilung der Kirchengüter an das Volk wollte er erzwingen und den Leuten klarmachen, dass sie keinen anderen Herrn mehr dulden sollten außer Kaiser und Papst.
Er wusste, was die armen Menschen von ihm hören wollten, wusste, wie er es anstellen musste, damit sie sich ihm anschlossen. Im Jahr 1502 waren ihm nach nur wenigen Monaten des Werbens Tausende Männer und sogar Hunderte Frauen gefolgt. Bundschuh nannten sie sich. Bundschuh, wie der Schnürschuh des einfachen Mannes – der sollte ihr Wahrzeichen werden. alles war damals bestens durchdacht und geplant gewesen. Doch bevor die Bundschuh Verschwörung ihre Pläne in die Tat umsetzen konnte, wurde sie an den Bischof von Speyer verraten. Viele anhänger waren verhaftet und einige getötet worden.
Joß Fritz konnte nach Mehlbach fliehen und wurde wieder Daniel Hofmeister. Seine missglückte Wallfahrt erklärte er mit Krankheit, die ihn noch vor antritt der Pilgerreise ereilt habe.
Keiner zweifelte an dieser Begründung, sah er doch bei seiner Rückkehr ausgezehrt und heruntergekommen aus.
Schnell fügte er sich wieder in das tägliche Leben eines Bauern ein, doch in Gedanken war er oft bei dem niedergeschlagenen aufstand und den unfreien Bauern. Obschon
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