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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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dass ihr Hunger habt«, sagte er mit einer Sanftheit in der Stimme, die anna Maria erstaunte.
    Bis jetzt hatte er sie keines Blickes gewürdigt. Er fasste in den Beutel, den er über dem Rücken getragen hatte, und holte einen Batzen Fleisch hervor. Dann zog er ein Messer, um das Fleisch zu zerteilen, und konnte nur mit Mühe die Wolfsjungen, die ihn anknurrten, zurückhalten. als der größte der jungen Wölfe seine Zähne fletschte, herrschte der Mann ihn knurrend an. Zwar legte das Junge die Ohren an, doch nur für einen kurzen augenblick, dann sprang es wieder hoch, um als Erstes ein Stück Fleisch zu bekommen.
    Nachdem der Mann das Fleisch in mehrere kleine Stücke geschnitten hatte, nahm er eines zwischen die Zähne und kniete sich nieder. Nun war er auf augenhöhe mit den kleinen Wölfen. Gierig schnappte das frechste der Jungen zu und entriss dem Mann das Stück Fleisch aus dem Mund. Dabei tropfte das Blut des frisch erlegten Wilds in den Bart des Wolfsmenschen. Während der erste Wolf seinen anteil fraß, bekam der zweite, der dritte und zum Schluss das schmächtigste Tier sein Stück.
    Das Schauspiel wiederholte sich, bis jedes der Jungtiere satt zu sein schien. Dann leckten die vier den Bart des Mannes und dessen Mundwinkel ab. angewidert wandte anna Maria den Blick ab. allerdings war ihr aufgefallen, dass eines der kleinen Wolfsjungen weniger fraß als die übrigen drei.
    »Hat es keinen Hunger?«, fragte anna Maria.
    Der Mann blickte auf und erklärte mit starrem Blick: »Er ist ein Weibchen. Sie ist die Kleinste und Schwächste und wird deshalb von den anderen beim Fressen abgedrängt.«
    »War das Muttertier der Wolf mit den roten augen?«

    »Nein! Sie hatte sich zwischen den Wolf und das Rudel gestellt.«
    Anna Maria erschauderte, als sie an das viele Blut dachte.
    »Habt Ihr den Wolf mit den glühenden augen getötet?«
    »Ich hatte keine andere Wahl!«, erklärte der Fremde. anna Maria bildete sich ein, einen traurigen Klang in seiner Stimme zu hören, und sagte deshalb: »Das Ungeheuer hätte mich sicherlich umgebracht!«
    »Wölfe töten in der Regel keine Menschen!«
    »Der Wolf mit den glühenden augen wollte mir ebenso an die Kehle wie die Wölfin!«, antwortete anna Maria erregt.
    »Ich kannte diesen Wolf, seit er nicht älter war als die vier hier. Er war der Bruder der Wölfin, und er war sehr krank. Die Wut ist eine schlimme Krankheit und macht aus harmlosen Tieren wilde Kreaturen.«
    »Ich habe gehört, dass Wölfe Menschen fressen, und sicherlich leidet nicht jeder Wolf an der Wut.«
    Nun blickte der Mann anna Maria voller Verachtung an. »Was wisst Ihr schon von Wölfen? Doch nur, was dumme Menschen erzählen. Wölfe fürchten Menschen und ergreifen die Flucht, denn sie werden seit Jahrhunderten von ihnen gejagt und getötet. Von jeher hat der Mensch angst vor Wölfen und sagt ihnen Schlimmes nach. Nichts davon ist wahr. Weder sind sie Tiere des Teufels, noch heulen sie Dämonen an. Es ist der Mensch, der aus ihnen Ungeheuer macht, denn er hasst die Wölfe und will sie vernichten, obwohl er sie nicht kennt. Wölfe meiden die Menschen, doch die treiben sie in die Enge und wundern sich, wenn der Wolf sich wehrt. Wer würde das nicht tun?«, fragte er bitter und blickte anna Maria entschlossen in die augen. Sie glaubte in seinem Blick Schmerz zu erkennen.
    Anna Maria erinnerte sich, wie das gesamte Rudel vor ihr geflüchtet war. Nur der eine Wolf, der, wie der Fremde sagte, krank gewesen war, hatte sie verfolgt.

    »Wer seid Ihr?«, fragte sie. Der Mann antwortete nicht, sondern schnitt zwei Stücke Fleisch ab, spießte sie auf und legte sie in die Glut.
    Anna Maria gab sich mit seinem Schweigen nicht zufrieden und sagte: »Ich habe nie gehört, dass Wölfe rote augen haben.«
    »Es ist die Krankheit, die die augen rot werden lässt. Sie beschert einen furchtbaren Tod. Zumindest der ist ihm nun erspart geblieben.«
    »Habt Ihr die Kleinen zu Euch genommen, um sie aufzuziehen?«
    Plötzlich sprang er auf und stellte sich vor sie: »Hört mit diesen Fragen auf! Ich hätte Euch im Wald liegen lassen sollen«, schnaubte er.
    Erschrocken war anna Maria zurückgewichen und schwieg, bis beißender Gestank sich ausbreitete.
    »Das Fleisch verbrennt!«
    Fluchend holte der Mann die Spieße mit den angekohlten Fleischstücken aus dem Feuer. Nachdem er die schwarze Kruste mit dem Messer abgekratzt hatte, reichte er anna Maria einen Spieß. Schweigend aßen sie.
    Dann nahm der Wolfsmensch ein Fell,

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