Gabe der Jungfrau
Marias erhitzten Körper. Die blauen augen blickten freundlich auf sie herab, doch als sie etwas sagen wollte, verschwanden sie, und anna Maria stand erneut frierend auf dem acker.
So tanzten die Bilder hin und her. Nur der Klang der Trommeln, die sie unentwegt aus der Ferne hörte, veränderte sich nie.
Dann verschwanden alle Träume, und auch der Trommler schwieg. Langsam öffnete anna Maria die augen. Sie befand sich in einer Höhle, die vom Feuerschein erhellt wurde. Gespenstisch tanzten die Schatten der Flammen an der Decke.
Anna Maria lag auf gepolstertem Boden, eine weiche Decke verhüllte ihren Körper. Der Raum war ihr fremd, und sie konnte sich nicht erinnern, wie sie in die Höhle gelangt war.
Auf ihrer Stirn haftete ein Verband. Vorsichtig fuhr sie mit den Fingerspitzen darüber. als sie einen leichten Schmerz spürte, zog sie den Verband ab und tastete nach der verletzten Stelle. Eine Kruste hatte die Wunde verschlossen.
Vorsichtig drehte anna Maria den Kopf und sah sich um. Es schien eine kleine Höhle zu sein, denn sie konnte Steinwände erkennen, sie sogar berühren.
Sie ließ ihren Blick durch den Raum wandern und dann sah sie ihn! Der Wolf saß am Feuer und hatte ihr den Rücken zugewandt.
Anna Maria hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Jetzt fiel ihr alles wieder ein! Die roten augen, der Tote am Baum, das viele Blut.
Furcht erfasste sie. als sie die Decke fortstrampeln wollte, erkannte sie das Fell – es war ein Wolfspelz! anna Maria sprang auf und schwankte. Die Wände um sie herum schienen sich zu drehen. Bevor sie zu Boden fiel, fing der Wolf sie auf. Er hatte zwei arme und zwei Beine – wie ein Mensch. anna Maria
schrie, wehrte sich und schlug auf ihn ein, doch sein Griff verstärkte sich.
»Vater unser im Himmel!«, stammelte sie leise und erstarrte vor angst. Sein Fell rieb grob auf ihrer Haut und verströmte einen ekelhaften Geruch. angewidert von dem Gestank senkte die den Kopf und erkannte, dass sie nackt war. Sie erschauerte. Regungslos hing sie in seinen Fängen, nur ihr Herz klopfte wild in ihrer Brust.
Mühelos legte der Wolf sie zurück auf das Lager. anna Maria griff nach dem Fell und bedeckte sich damit. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie bekreuzigte sich mehrmals. Der Wolf sah von oben auf sie herab.
»Ihr seid geschwächt! Bevor Ihr Euch erhebt, müsst Ihr zu Kräften kommen!«
›Ein sprechender Wolf! Ich bin wahnsinnig geworden!‹, dachte anna Maria voller Grausen. Sie schloss die augen und betete, dass dies nur ein alptraum war. Doch als sie wieder aufblickte, starrte der Wolf sie regungslos aus blauen augen an. Verstört wich sie zurück.
»Ich werde Euch jetzt allein lassen!«, sagte er.
»Ein Wolf, der mit mir spricht!«, flüsterte anna Maria verwirrt. Verhaltenes Lachen war die antwort, doch die blauen augen blieben kalt. ›Die gleichen augen wie in meinen Träumen‹, dachte sie dann.
»Ich bin kein Wolf«, erklärte die Stimme, »ich bin ein Mensch – leider!«
»Aber Ihr habt ein Fell«, widersprach anna Maria.
»Das ist meine Tarnung!« Wie einen Umhang zog er das Oberteil, das aus Fell gearbeitet war, über den Kopf. Sein nackter Oberkörper glänzte im Schein des Feuers. Muskeln und Narben waren zu erkennen. Verfilzte Haare fielen bis auf seinen Rücken, ein zotteliger Bart, auf dem ebenso wie auf seinen Haaren Kletten und Zweigstücke klebten, reichte bis zur Brust.
Zaghaft blickte anna Maria zu dem Mann hoch, als sie sich ihrer eigenen Blöße erinnerte. Feine Röte färbte ihre Wangen.
»Wer hat … habt Ihr … warum … nackt?«, fragte sie stammelnd. Die blauen augen musterten sie spöttisch, und er erklärte knapp: »Ihr wart bis auf die Haut durchnässt!«
»Das ist doch kein Grund!«, stammelte sie entrüstet.
Kopfschüttelnd zog er eine augenbraue hoch.
»Wie lange bin ich schon hier?«
»Ihr habt drei Tage mit dem Fieber gekämpft.« Er zeigte auf ihre Stirn. »Eure Kopfwunde hatte sich entzündet.«
»Drei Tage?«, schrie sie auf. Es war anna Maria einerlei, dass sie hätte sterben können – nur die Zeit zählte.
»Warum habt Ihr mich hier festgehalten? Ich muss fort, sonst kann es zu spät sein«, jammerte sie und sah den Mann zornig an.
»Hätte ich Euch im Wald liegen lassen sollen?«
»Ihr versteht nicht!«, klagte sie.
»Ihr scheint nicht zu schätzen, wenn man Euch Gutes tut!«, sagte der Fremde, während er das Wolfsfell wieder über den Oberkörper zog. Er warf einige
Weitere Kostenlose Bücher