Gabe der Jungfrau
legte es neben die Wolfsjungen und kauerte sich dazu. Dabei drehte er anna Maria den Rücken zu. auch anna Maria legte sich zum Schlafen nieder.
›Morgen werde ich mich wieder auf den Weg machen!‹, beschloss sie und schlief zornig ein.
Anna Maria erwachte, als die jungen Wölfe winselten. Ein Blick zum Höhlenausgang zeigte ihr, dass es mitten in der Nacht sein musste. Sie setzte sich auf und sah, wie die vier Jungen dem Wolfsmenschen schwanzwedelnd hinterherliefen.
Anna Maria fand das Verhalten des Mannes inmitten stockdunkler Nacht befremdlich.
»Was ist geschehen?«, fragte sie. Der Mann antwortete nicht,
wirkte jedoch gehetzt. Hastig suchte er verschiedene Dinge zusammen und beachtete weder die Kleinen noch das Mädchen.
Deshalb bemühte sich anna Maria mit fester Stimme zu erklären: »Ich werde heute weiterziehen. Gebt mir meinen Beutel und meinen Pilgerstab zurück.« Leise fügte sie das Wort »bitte« hinzu.
Nun blickte der Wolfsmann zu ihr auf, und während er ihr Beutel und Pilgerstab auf die Decke warf, sagte er: »Bevor Ihr geht, gebt den Wölfen zu fressen und Wasser. Der Krug steht dort drüben, und das Fleisch hängt hier oben in dem Beutel. »Er zeigte zu einem kleinen Vorsprung in der Steinwand, auf dem sie Krug und Beutel entdeckte.
»Etwa so wie Ihr?«, fragte sie und schüttelte sich dabei.
»Wenn Ihr das könnt!«
»Nein, natürlich nicht. Ich verstehe nichts davon und habe auch keine Zeit …«
Unvermittelt hielt er in seinen Bewegungen inne und sagte: »Wolfsjäger sind im Wald unterwegs. Ich muss mein Rudel in einen anderen Wald führen – hier sind die Wölfe nicht mehr sicher!«
Jetzt verstand anna Maria seine aufregung.
»Woher wisst Ihr, dass Wolfsjäger in der Nähe sind?«
»Ich habe sie gesehen und belauscht!«
»Wann?«
»Als Ihr geschlafen habt«, sagte er knapp und verschwand.
»Wann kommt Ihr zurück?«, rief sie ihm nach, doch er antwortete nicht. Stattdessen hörte sie seinen Pfiff, dem die kleinen Wölfe jaulend antworteten. als der größte dem Wolfsmenschen hinterherlaufen wollte, konnte anna Maria ihn gerade noch packen. Suchend lief die Viererbande in der Höhle umher. anna Maria nahm den Beutel von dem Mauervorsprung herunter und holte das Fleisch heraus. Dann pfiff sie ebenso leise wie der Wolfsmann. Die Wölfe spitzen ihre Ohren, und
als anna Maria den Pfiff wiederholte, versammelten sie sich um sie. Lachend zerteilte sie einen Teil des Fleischs in kleine Stücke.
»Entweder ihr fresst mir aus der Hand, oder ihr müsst hungern!«, warnte anna Maria die Tiere. Gierig schnappten sie nach den Fleischstücken, bis sie satt waren. Zufrieden verkrochen sich die Kleinen auf ihr Lager und schliefen ein. Da es noch lange nicht dämmern würde, legte sich auch anna Maria wieder hin.
Das Getrappel kleiner Füße weckte sie. Sie fühlte sich ausgeruht und gestärkt. Gierig tranken die Wolfsjungen von dem klaren Wasser aus dem Krug, das anna Maria für sie in eine Schale goss. als die Welpen winselten, schnitt anna Maria wieder kleine Fleischstücke zurecht, um sie zu füttern. Sie schnitt auch für sich Fleisch ab, grillte es im Feuer und aß hungrig.
Nachdem die Wölfe wieder müde eingeschlafen waren, nahm anna Maria ihre Sachen auf. als sie ein letztes Mal auf die schlafenden Wolfsjungen blickte, hoffte sie, dass der Wolfsmensch bald zurückkommen würde. »Es hat keinen Sinn!«, murmelte sie, »ich muss weiter, sonst werde ich meine Brüder nie finden.« Dann verließ sie die Höhle. Nach nur wenigen Schritten erkannte sie, dass ihr Vorhaben Irrsinn war. Das Gebiet um die Höhle war unwegsam. Dichtes Buschwerk, Dornengestrüpp und abhänge machten es unmöglich, allein und ohne den Weg zu kennen, von der Höhle fortzukommen. auch wusste sie nicht, in welche Richtung sie gehen musste. Weder wies die Sonne ihr den Weg noch konnte sie Moos an den Bäumen entdecken. Wütend stampfte sie mit dem Fuß auf.
Anna Maria musste einsehen, auch wenn sich alles in ihr sträubte, dass sie allein den richtigen Weg nicht finden würde. Sie musste zur Höhle zurück und auf den Fremden warten. Verstimmt kehrte sie um und wusste, dass sie einen weiteren Tag verlieren würde.
Die jungen Wölfe hatten von anna Marias kurzem ausflug nichts mitbekommen. als sie die vier schlafend erblickte, verrauchte ihre Wut.
Anna Maria sah sich in der Höhle um. Viel mehr als nackte Wände gab es nicht zu entdecken. Sie erinnerte sich an die Kohle in ihrem Beutel, und ein Lächeln
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