Gabe der Jungfrau
Holzscheite ins Feuer und ging wortlos zum Höhleneingang.
»Wo wollt Ihr hin?«
»Jagen!«
»Ich habe keinen Hunger!«
»Nicht für Euch, sondern für die da«, sagte er und wies mit dem Kopf in eine Ecke. Erst jetzt bemerkte anna Maria vier kleine Wolfsjungen, die schliefen.
»Das sind Wölfe!«, schrie sie auf, »Ihr könnt mich mit diesen Bestien nicht allein lassen!«
»Der Mensch ist die Bestie, nicht der Wolf!«, erklärte der Mann, und seine Stimme bekam einen harten Klang.
»Trotzdem bleibe ich nicht allein hier. Ich werde Euch begleiten!«, sagte sie ungerührt.
»Seid nicht albern. Die Wolfsjungen sind erst wenige Monate alt.«
»Wo ist die Wölfin? Sicherlich wird sie zurückkommen!«, fürchtete anna Maria und schaute ängstlich zum Höhleneingang. Dann forderte sie: »Gebt mir meine Kleider! Ich werde mitkommen!«
»Seid still, Weib! Die Wölfin ist tot! Ihr könnt Euch ankleiden und gehen, wohin Ihr wollt, doch nicht mit mir.« Er warf ihr die Kleider zu, nahm Pfeil und Bogen auf und verschwand ohne ein weiteres Wort nach draußen. Fassungslos starrte anna Maria ihm hinterher, als sie den Pfiff hörte, den sie bereits Tage zuvor im Wald vernommen hatte.
Anna Maria ließ die Wolfsjungen nicht aus den augen.
›Wo ist mein Beutel?‹, überlegte sie nervös. ›Ich brauche die Kohle, um mir den Punkt auf die Stirn zu zeichnen.‹ Vorsichtig stand sie auf und spürte sofort, wie ihr schwarz vor augen wurde. Verzweifelt legte sie sich zurück aufs Lager und vergrub ihr Gesicht in den armen.
»Drei Tage!«, flüsterte sie. »Drei Tage, die ich verloren habe.« Ihr Körper bebte, als jemand an ihren Haaren zog.
»Au!«, jaulte sie und drehte sich um. Goldfarbene augen blickten sie an. Ungeschickt krabbelte ein Wolfsjunges auf ihr Lager. Es schien keine angst vor ihr zu haben. Der kleine Kerl schnupperte an der Felldecke, drehte sich mehrmals im Kreis und legte sich darauf nieder. Zweifelnd blickte anna Maria auf das Junge, das zusammengerollt auf dem Bauch lag und schlief. ›Es vermisst sicher seine Mutter!‹, dachte anna Maria und hatte plötzlich Mitleid mit dem kleinen Wolf. Nun drang ein Winseln aus der Ecke, und bevor das Mädchen es sich versah, lagen alle vier Wolfsjungen am Rand ihrer Matte. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, gaben sie einen Grunzlaut von sich. Steif blieb anna Maria liegen und wagte kaum zu atmen, bis sie der Schlaf übermannte.
Anna Maria erwachte, als etwas durch ihr Gesicht fuhr. Erschrocken öffnete sie die augen und konnte nicht verhindern, dass der kleine Wolf ihr abermals die Wangen leckte. Mit beiden Händen packte sie ihn unter den Vorderläufen und hob ihn hoch.
»Falls du mich fressen willst, beiße ich zurück!«, fauchte sie. Klägliches Winseln war die antwort. Erschrocken setzte anna Maria den Welpen zurück auf den Boden. Der Kleine schloss sich sofort den anderen drei an, die munter durch die Höhle tollten. anna Maria nutzte den augenblick und zog sich ihre Kleider über – stets die Wolfsjungen im Blick. Je länger sie die Welpen beobachtete, desto mehr verlor sie ihre angst. Das Verhalten der kleinen Wölfe erinnerte anna Maria an junge Hunde zu Hause auf dem Hof in Mehlbach.
Ihr Schwindelgefühl war verflogen, und so stand sie auf und legte Holz auf die Glut. als sie sich nach den kleinen Wölfen umblickte, entschwand einer nach draußen.
»Halt, wo willst du hin?«, rief anna Maria und ohne zu überlegen, ging sie ihm nach.
Dunkelheit umfing sie, sodass sie kaum etwas erkennen konnte. Trotzdem suchte sie die nähere Umgebung nach dem kleinen Wolf ab und lockte ihn leise. Doch weder sah noch hörte sie ihn. als Äste knackten, erschrak sie und lief eilends zur Höhle zurück.
Die drei Wolfsjungen empfingen sie jaulend. Zaghaft setzte sich anna Maria nieder, und sofort kamen die Kleinen angelaufen. Wieder hörte sie vor der Höhle beunruhigende Geräusche, als sich das Gebüsch vor dem Eingang teilte und der Wolfsmensch mit dem entflohenen Jungen unterm arm hereinkam. anna Maria konnte nicht leugnen, dass sie erleichtert war, als sie ihn erblickte – auch, weil er den kleinen Wolf gefunden hatte.
Als der Mann die Höhle betrat, pfiff er leise, und die drei Wölfe versammelten sich um ihn. Stürmisch wurde er begrüßt.
abwechselnd hingen sie an seinem Hosenbein oder knabberten an seinen Füßen, und er musste aufpassen, dass er nicht auf sie trat. Dann setzte er das Junge zu seinen Geschwistern, die es laut anbellten.
»Ich weiß,
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