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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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Anstands.«
    Bei Reules schallendem Gelächter errötete sie noch tiefer, doch sie straffte sich nur umso mehr.
    »Para, meine wilde Löwin, sie ist ein ganz junges Ding. Ich bin nicht interessiert an einem Kind. Außerdem wirst du dabei sein. Ich will sie nur in deiner und meiner Obhut wissen. Sie ist keine Sánge.«
    »Keine …«
    Pariedes war wie gelähmt, auch wenn ihr Mund sich eine Zeit lang weiterbewegte, als wollte sie noch etwas sagen. Dann verschränkte sie die Hände vor der Brust, eine alte Gewohnheit, und verneigte sich. Schließlich verschwand sie mit gebauschten Röcken und wehendem rostbraunen Haar.
    Das Rudel betrat den königlichen Empfangssaal, wobei das Geräusch der Stiefel auf dem glänzenden Marmorboden von der hohen Decke widerhallte. Der prachtvolle metallisch rote Marmor stammte aus den umliegenden Bergen. Der Königssaal war damit ausgelegt, bis auf einen Streifen goldener Steine, die um den ganzen Raum herumliefen, und das Podest, wo Reule Hof hielt.
    Doch sie hielten nicht inne, sondern strebten direkt zum hinteren Ausgang und gingen von dort in das große Treppenhaus. In dröhnendem Gleichschritt stiegen sie in das Innere der Burg hinab und erreichten den tief unten gelegenen und mit Keramikkacheln gefliesten Keller. Die Bäderhalle war gleich um die Ecke. In dem langen Gang gab es mehr als ein Dutzend Türen, große und kleine. Das waren die privaten Bäder. Zwei Doppeltüren am Ende führten zu den Gemeinschaftsbädern. Gegenüber befand sich ein Privateingang, der zum Bad des Primus führte.
    Hier teilte sich das Rudel auf. Rye und Delano brachten Chayne in einen der größeren Privaträume. Darcio ging weiter zum Gemeinschaftsbad, nachdem er sich mit einem Blick auf Reule versichert hatte, dass dieser keine Hilfe bei dem fremden Mädchen brauchte. Reule betrat sein Bad und stieß rasch die Tür hinter sich zu. Eine Wand aus heißem Dampf schlug ihm entgegen, und er atmete tief ein. Er lächelte. Die Bäder waren natürliche heiße Quellen, das beste Mittel, das Reule sich vorstellen konnte, um ein Mädchen aufzuwärmen, das der Kälte ausgesetzt gewesen war. Er trat zu einer Bank, die dicht am Rand des leise blubbernden Wassers stand.
    Er legte das Mädchen auf die Bank und versuchte sie erst durch den Dampf zu wärmen, bevor er sie ins Wasser gleiten ließ. Er wollte nicht, dass ihr Körper einen Schock erlitt. Er ging davon aus, dass er eine Weile auf sich gestellt wäre, bevor der Apotheker eintraf, und Para hätte ebenfalls alle Hände voll zu tun, bevor sie kommen würde, um die wohlmeinende Anstandsdame zu spielen. Bei der Vorstellung musste Reule grinsen. Para war noch recht jung, doch sie war überfürsorglich. Sie war perfekt in ihrer Rolle als oberste Hauswirtschafterin, und sie beschützte die Dienstmädchen vor den dreisten Händen der Diener und Soldaten, die ständig in den Gängen herumlungerten. Sie führte den Hausstand tadellos, und Reule hatte keinen Grund zur Klage, außer wenn sie versuchte, auch ihn zu bemuttern. Die Fürsorge einer Frau hatte ihm schon immer Unbehagen verursacht.
    Reule schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich darauf, das Bündel aus den Decken zu wickeln. Er zog die wollene Pferdedecke weg, und wieder traf ihn der beißende Modergestank. Der Raum war elektrisch beleuchtet, weshalb Reule das junge Mädchen zum ersten Mal richtig betrachten konnte. Ihr schmaler Körper war zusammengerollt wie ein Embryo, ihre offenen braunen Haare klebten am Gesicht, und das schmutzige Hemd klebte ihr am Körper. Reule ging in die Hocke und schaute das verfilzte Haar an, das ihr wirr über das Gesicht fiel. Er seufzte, als ihm klar wurde, dass er nicht viel tun konnte, bevor sie nicht im Wasser war und man ihr die dicke Schmutzschicht abgewaschen hätte. Er hoffte, dass sie ihr nicht die Haare abschneiden müssten. Es gab Sánge, die abergläubisch waren, wenn es darum ging, einer Frau die Haare zu schneiden. Es war schon schlimm genug für sie, als Fremde auf Sánge-Territorium zu sein, wo der bevorstehende Winter sie in der Stadt gefangen halten würde, und dann auch noch mit kahl geschorenem Kopf?
    Nicht zum ersten Mal fragte sich Reule, wie lange das Mädchen wohl in dem Dachgeschoss eingesperrt gewesen war. Hatten die Schakale sie dorthin gebracht, nachdem sie sie missbraucht hatten?
    Bei dem Gedanken stieg Wut in ihm hoch, und er biss die Zähne aufeinander. Manchmal konnte er seine Gefühle nicht im Zaum halten, und das traf auch diejenigen um

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