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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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ihn herum. Obwohl normalerweise niemand seine Gedanken ohne seine Erlaubnis lesen konnte, bedurfte seine einzigartige Fähigkeit zur Emanation einer gewissen Kontrolle. Durch Emanation konnte er denen, die ihn umgaben, übermitteln, was er fühlte und brauchte. So wie das Zuknallen einer Tür unmissverständlich und ohne ein Wort deutlich machte, wie derjenige, der gegangen war, sich fühlte, konnte er dieselbe Wirkung erzielen, indem er seinen Verstand in Schwingung versetzte.
    Der Anführer der Sánge streckte die Hände aus, um die entblößte Haut des Mädchens an Händen und Armen zu berühren. Sie war immer noch kühl, doch nicht mehr so kalt wie zuvor. Die Decke und der schnelle Ritt hatten ihren Teil dazu beigetragen, und die dampfende Wärme tat ein Übriges.
    Reule erhob sich und strich sich mit einer Hand durch das feuchte Haar, das sich im Dampf natürlich lockte und das er normalerweise glatt gebürstet oder zu einem Zopf geflochten trug. Er nahm seine kurze braune, mit Schaffell gefütterte Jacke und seine hellbraune Jagdweste und warf sie achtlos zu Boden. Als Nächstes waren seine kaffeebraunen, kniehohen Lederstiefel an der Reihe, deren perfekte Passform es ihm erlaubte, ohne Dragos Hilfe herauszuschlüpfen. Dann streifte er das beigefarbene Leinenhemd ab, dessen Stoff bereits nass war von Dampf und Schweiß. Sein letztes Bad war drei Tage her, und er freute sich darauf, den Schmutz von Reiten, Pirschen und von Tod abzuwaschen.
    Er hörte das Klacken der Tür, die sich öffnete und wieder schloss, und obwohl es nicht weit von ihm entfernt war, konnte er durch die dichte Wand aus weißem Nebel nicht sehen, wer hereingekommen war. Allerdings konnte er es genau spüren.
    »Komm hierher, Para.«
    Zielstrebig kam Pariedes durch den feuchten Nebel auf ihn zu. Als sie sah, wie er sich halb nackt über das Mädchen beugte, konnte er ihre Missbilligung spüren, ohne dass er die fest zusammengepressten Lippen überhaupt sah.
    »Na, na, Para«, neckte er sie, »ich habe noch meine Reithose an. Sind damit nicht alle entscheidenden Körperteile bedeckt?« Als Para bis unter die Haarwurzeln errötete, warf Reule den Kopf zurück und lachte. Die Hauswirtschafterin fing sich schnell wieder und wies ihn mit einer drohenden Handbewegung in die Schranken.
    »Ihr seid ein Spitzbub, mein Primus«, schimpfte sie, nachdem sie ihn mit der wedelnden Hand beinahe an der Nase getroffen hatte.
    »Gewiss, du bist nicht die erste Frau, die mir das sagt«, erwiderte er, während er zusah, wie sie sich über das kleine Mädchen beugte.
    »Sie ist furchtbar verwahrlost«, sagte Para entrüstet. »Verdammte Schakale. Die ganze Bagage sollte in der Wüstensonne zu Tode schmoren.«
    Reule verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust und blickte zu ihr hinunter. »Du sagst, Schakale hätten etwas damit zu tun?«
    Sie warf den Kopf in den Nacken, und ihre dunklen Augen blitzten vor verletztem Stolz. »Ich habe Augen im Kopf und auch ein Gehirn, oder nicht?« Sie schnaubte. »Weshalb sonst solltet Ihr einen ganzen Tag überfällig sein und zwei Verletzte als Eure einzige Jagdbeute mitbringen? Also wirklich, mein Primus!«
    »Verzeihung, Pariedes«, sagte er mit einer reumütigen Verbeugung. »Du hast recht. Was ist mit meiner Jagdtrophäe? Glaubst du, sie wird überleben?«
    »Das kann ich Euch nicht sagen. Sie ist eine Fremde, Primus Reule. Ich weiß nicht, was sie ist. Sie ist zu hellhäutig für eine Gemin oder eine Opia, und obwohl sie die Statur eines Schakals hat …«
    »Das Mädchen ist kein Schakal«, sagte Reule schneidend in dem Wunsch, sie zu verteidigen. »Ich habe sie allein über ihre Emotionen gefunden«, sagte er etwas sanfter, als Para ihn überrascht anblickte. »Kein Schakal könnte je so tiefen Schmerz und eine solche Trauer empfinden wie dieses Mädchen. Sie ziehen die Emotionen nur von den anderen ab. Allein die Intensität dessen, was sie empfunden hat, hätte eine ganze Horde Schakale eine Woche lang versorgen können. Ich habe noch nie …«
    Reule verstummte, als er sah, dass Para ihn neugierig anstarrte. Als er einen finsteren Blick aufsetzte, räusperte sie sich und wandte sich rasch wieder ab, um sich neben die junge Frau zu knien.
    »Armes Ding. Wir sehen ja kaum etwas von dir.« Sie schüttelte missbilligend den Kopf und wandte sich zu Reule. »Euer Messer, mein Primus.« Erwartungsvoll streckte sie ihm die flache Hand entgegen.
    Reule lieh seinen Dolch gewöhnlich nie irgendjemandem, nicht einmal einem

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