Gabe des Blutes
Rudelgefährten. Es war ein ungeschriebenes Gesetz unter den Kriegern, niemals jemandem seinen Dolch auszuhändigen. Natürliche Waffen wie Fingernägel und Fangzähne waren zwar ziemlich wirkungsvoll, doch Messer, Schwert oder Wurfstern waren unerlässlich im Kampf und zur Selbstverteidigung.
Reule griff nach dem Dolch, der an seiner Taille steckte, und die blaue Metallklinge machte ein leise sirrendes Geräusch, als er sie aus der Scheide zog. »Wie kann ich dir helfen?«, fragte er.
»Schneid ihr die Kleider auf. Sie sind ekelhaft und von wer weiß was für Krankheiten und Parasiten befallen. Ich lasse sie verbrennen. Dann baden wir sie und sehen, ob wir etwas mit diesem Haarfilz machen können.«
Reule machte sich an seine Aufgabe und zog vorsichtig den Stoff vom Hals des Mädchens weg. Er konnte die Halsschlagader pochen sehen und zögerte.
Sánge, bautor mo.
Die Worte hallten plötzlich leise in seinem Kopf wider. Er unterdrückte einen Schauder aus unbestimmten Gefühlen und drückte die Klinge gegen das zerlumpte Hemd. Langsam und vorsichtig schnitt er ungefähr zwanzig Zentimeter an ihrem Brustbein entlang und zog dann die Klinge zurück. Dann steckte er den Dolch wieder weg und packte den Stoff und zog kräftig daran, und das fadenscheinige Leinen zerriss sofort. Einen Moment lang kam Reule dieser Akt seltsam erotisch vor. Er war nie der Typ gewesen, der einer Geliebten die Kleider vom Leib riss, und dieses Kind war gewiss keine Geliebte, doch etwas an der Kraft in seinen großen Händen, die etwas so Zerbrechliches zerstörten, um etwas noch Zerbrechlicheres zum Vorschein zu bringen, ließ seine Haut prickeln. Er schluckte schwer angesichts der lächerlichen Empfindung und ging darüber hinweg, während er den Stoff weiter zerriss, sodass eine blasse Hinterbacke und ein Oberschenkel zum Vorschein kamen.
Die weiße Haut an der bloßgelegten Stelle war makellos. Reule hatte noch nie so eine weiße Haut gesehen, obwohl er schon an vielen Orten gewesen und zahlreichen Leuten begegnet war. Es musste die einzige Stelle an ihrem Körper sein, die nicht schmutzig war, und er fand es irgendwie verblüffend. Der Kontrast zu seiner eigenen dunklen Haut faszinierte ihn.
Reule bemerkte, wie Para ihn erwartungsvoll anblickte, und er zerriss rasch den restlichen Stoff. Dann zückte er den Dolch erneut und schnitt die Ärmel ab. Er war froh, dass sie sich nicht bewegte, weil die Klinge so scharf war und schon eine versehentliche Berührung sie verletzt hätte. Ein weiterer Grund, weshalb er seinen Dolch nicht verlieh, vor allem nicht an jemand Unerfahrenen. Er warf die Stoffreste beiseite und löste Scheide und Gürtel, wobei er erstere absichtlich an den Rand der Quelle legte. Als er nichts mehr weiter anhatte als seine Reithosen, hob er das Mädchen hoch und watete mit ihr über die breiten Stufen ins Wasser. Er tauchte nicht gleich ganz hinein, obwohl das warme Wasser, das um seine Hüften schwappte, in ihm den Wunsch weckte.
Doch es ging hier nicht um ihn.
Vorsichtig begann er den fest zusammengerollten Körper ins Wasser zu tauchen. Para schaute ängstlich zu, bis sie sicher war, dass er auch sanft mit ihr umging.
Er bewegte sich zurück zu den Stufen und setzte sich mit seinem Schützling im Schoß auf die vorletzte Stufe. Para nahm die Gelegenheit wahr, um davonzueilen und das zu tun, was sie tun musste. Er wusste nicht mehr, welche Anweisungen er ihr gegeben hatte. Ihm wurde bewusst, dass er drei Tage lang weder richtig gegessen noch geschlafen hatte. Jetzt, eingehüllt von der entspannenden Wärme des Bades, spürte er die Erschöpfung. Sogar seine Patientin entspannte sich, und ihr Körper löste sich allmählich. Er hielt sie fest auf dem Schoß, und das Wasser strömte über ihren ganzen Körper. Ihr Kopf fiel in den Nacken, und ihr Haar glitt ins Wasser, als er sie bis auf das Gesicht eintauchte.
Zum Schluss fielen die schützenden Arme von der Brust herunter. Nun konnte er ihren ganzen Körper betrachten. Mit prüfendem Blick suchte er nach Verletzungen durch die Schakale. Was er jedoch entdeckte, überraschte ihn. Sie war zwar klein, doch obwohl sie eine weiche Haut hatte, wie bei jungen Wesen üblich, hatte ihr Körper nichts Kindliches an sich. Reule blinzelte und versuchte, die Frau, die er im Arm hielt, mit dem Mädchen, das er bis eben im Arm zu halten geglaubt hatte, in Einklang zu bringen.
Ein Geflecht aus wirren, strähnigen Haaren verdeckte noch immer ihr Gesicht. Das heiße Wasser
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