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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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sagen?«
    »Sie wird ihn nicht in ihre Nähe lassen. Selbst Para beäugt sie nur misstrauisch und ängstlich. Pariedes, die mit jedem schnell Freundschaft schließt.«
    »Du solltest es dir von ihr selbst erzählen lassen.«
    »Das würde ich, aber sie weiß nicht einmal mehr ihren eigenen Namen und erst recht nicht, woher sie die Blutergüsse hat und warum die Haut auf ihrem Rücken zur Hälfte abgeschürft ist. Durch Reibung«, fügte Reule hinzu, und seine Stimme nahm einen bedrohlichen Ton an.
    »Scheiße.« Darcios Stimme zitterte, als er den Fluch ausstieß.
    »Ich würde dich nicht bitten …«
    »Ich weiß«, unterbrach Darcio ihn hastig. »Warum willst du das unbedingt wissen, Reule? Willst du es nicht lieber auf sich beruhen lassen, wenn sie sich nicht erinnern kann? Was willst du ihr sagen, wenn du die Wahrheit kennst und sie nicht? Bring dich nicht in eine solche Lage.«
    »Du brauchst meine Gründe dafür nicht zu kennen«, sagte Reule vorsichtig. »Die Aufgabe wird nicht einfacher, wenn du sie kennst. Lass das meine Sorge sein. Doch wenn es dir hilft – ich kann sie auf jeden Fall dem Pharmazeuten nennen, und er wird entsprechende Maßnahmen ergreifen, ohne sie dem Trauma einer Untersuchung auszusetzen.«
    Reule konnte an dem tiefen Seufzer erkennen, dass Darcio einverstanden war. Er brauchte kein Telepath zu sein, nur ein alter Freund, um es zu wissen. Die Methode war einfach, wenn auch wegen ihrer Einzigartigkeit vielleicht traumatisch für Darcio. Der Primus-Gefolgsmann hatte eine Gabe, die nur er allein hatte und die genauso wirkungsvoll war wie Reules Fähigkeit, Gedanken zu übertragen. Darcio war der Erste seiner Spezies, der diese besondere Fähigkeit besaß, und so gab er ihr selbst einen Namen und nannte sie »den Fluch«.
    Darcio hatte die Fähigkeit, das physische Trauma von Lebenden und Toten, von denen, die bei Bewusstsein waren, oder von denen, die im Koma lagen, zu ergründen und herauszufinden, was mit ihnen geschehen war. Weil es sich um eine körperliche und keine mentale Spurensuche handelte, konnte das Opfer auch hirntot oder ganz tot sein, und Darcio konnte die Ereignisse trotzdem rekonstruieren. Es war keine angenehme Gabe, und Reule machte seinem Gefolgsmann keinen Vorwurf, dass er sie nur ungern einsetzte. Vor allem seit Darcio ihm erklärt hatte, dass es sich um eine »traumatische Empathie« handelte. Er las nicht nur in der Erinnerung, er wurde davon heimgesucht, er durchlebte sie im Geiste, als würde sie genau in diesem Moment passieren, durchlitt die Misshandlung oder den Tod. Es brauchte Tage, manchmal Monate, um über das Erlittene hinwegzukommen. Es gab auch Dinge, die er nie mehr loswurde. Vielleicht würde er noch lernen, sie loszulassen, wenn er sich in der Fähigkeit häufiger übte. Verständlicherweise lehnte er es ab, sie einzusetzen, außer es war unbedingt notwendig. Für ihn kam Üben auf keinen Fall infrage.
    Reule hatte ihn erst zwei Mal um diesen Gefallen gebeten. Das eine Mal, um herauszufinden, wer seine Eltern getötet hatte. Darcio war seit sieben Jahren sein schattenhafter Gefolgsmann, und in der ganzen Zeit hatte er keiner Menschenseele etwas von seiner Fähigkeit erzählt, die er entsetzlich fand. Als er vom grausamen Tod des Primus und der Prima ihres Sánge-Stammes erfuhr, hatte Darcio einen starken Gedankenimpuls gehabt, der Reule, der seine Fähigkeiten bereits entwickelt hatte, traf wie ein Geistesblitz. Damals hatte er Darcios Zustimmung erzwungen, und es hatte drei Jahre gedauert, bis der ihm verziehen hatte. Das zweite Mal war an dem Tag gewesen, als sie auf eine Wagenkolonne gestoßen waren, die von Schakalen überfallen worden war. Die Männer waren gefoltert und die Frauen und Kinder zum reinen Vergnügen vergewaltigt worden. Reule hatte gar nicht erst fragen müssen. Darcio war außer sich vor Zorn gewesen und hatte seine Fähigkeit auf die Feinde losgelassen, nur um Rache zu üben.
    Diesmal war das nicht so. Er setzte sich aufrecht hin und schloss die Augen. Er würde umsichtig vorgehen, um sich selbst zu schützen und die Privatsphäre seiner Zielperson so gut wie möglich zu achten. Reule beobachtete ihn stumm. Es war ein Zeichen dafür, wie weit Darcios Fähigkeit sich inzwischen entwickelt hatte, dass er nicht einmal mehr im selben Raum sein musste wie die betreffende Person, um sie zu untersuchen. Das letzte Mal hatte sein Schatten noch körperlichen Kontakt mit seiner Zielperson haben müssen.
    Darcio forschte erst einmal nach

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