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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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Schmerz überflutet wie von der Sonne, die über den Horizont kommt, dann lachte er auf vor Erleichterung; er hätte nie gedacht, dass er je froh sein würde, so etwas zu empfinden. Es bedeutete, dass sie endlich wach war.
    Sie klammerte sich noch immer an ihn, während sie nach Luft rang, doch ansonsten hatte sich ihr Körper völlig entspannt. Er hörte sie schniefen und dachte, dass sie weinte, bis sie es wieder tat. Diesmal drückte sie die Nase mehrmals an seinen Hals und saugte seinen Geruch ein. Reule biss entschlossen die Zähne zusammen, als ihn ein heftiger Schauer überlief und die feinen Härchen auf seinem Körper sich aufstellten. Es ist nichts!, sagte er zu sich selbst, während er angestrengt versuchte, die ungezügelte Reaktion unter Kontrolle zu bringen. Sánge erkannten einander oft am Geruch, sagte er sich selbst, und es gab nicht den geringsten Grund, warum er einen solchen erotischen Schauer verspürte. Das hier war nichts anderes.
    »Reule«, seufzte sie heiser und zufrieden, was jeden Nerv in seinem Körper in Alarmbereitschaft versetzte.
    Herr im Himmel, sie hat mich an meinem Geruch erkannt . Das bedeutete, dass sie einen scharfen Geruchssinn hatte. Er zwang sich, nicht mehr hineinzulesen, und verwarf den Gedanken, es könnte sich um besondere Anziehung handeln. Es wäre typisch für die Sánge-Kultur gewesen, und sie war keine Sánge. Verdammt, sie war ja noch gar nicht richtig wach! Diese Erleichterung, sagte er sich, hätte jeder nach einem offensichtlich furchtbaren Albtraum empfunden. Er war das Einzige, was ihr bekannt vorkam. So einfach war das.
    Trotzdem war es ein erregendes Gefühl, der Mittelpunkt ihrer Bewunderung und Zufriedenheit zu sein. Seltsam, dass er als zentrale Figur eines ganzen Volkes nie so etwas empfunden hatte.
    »Du bist in Sicherheit«, murmelte er leise, schloss die Augen und steckte die Nase in ihr Haar. Er atmete ihren Geruch ein, während er sprach, und merkte, dass er ihn ebenfalls in seinem Gedächtnis gespeichert hatte; ein sanfter Duft nach Moschus und Vanille, in dem Para sie vor Kurzem gebadet hatte.
    »Du hast mich verlassen«, schluchzte sie schmerzerfüllt. »Du hast mich verlassen, und niemand war mehr da für mich.«
    »Nein, Kébé , das stimmt nicht«, sagte er heiser, während ihr Schmerz Schuldgefühle in ihm auslöste. »Ich war die ganze Zeit in der Nähe. Para war hier. Und Tetra. Ich würde dich nie im Stich lassen.«
    »Nein! Nein …« Sie schüttelte leicht den Kopf, während sie sich wieder fester an ihn klammerte, und er hatte das Gefühl, dass sie aus zwei verschiedenen Welten zueinander sprachen.
    Reule hielt sie einfach nur fest und ließ sie weinen, bis sie ganz wach sein würde. »Ich bin ja bei dir. Ich werde dich beschützen, solange du es brauchst. Du hast mein Wort, Liebling«, flüsterte er in ihr kleines Ohr. »Das Wort eines Königs hat bei den Sánge großes Gewicht, Kébé .«
    »Ich weiß«, hauchte sie an seinem Hals.
    Reule schloss erneut die Augen und versuchte einen Schauer zu unterdrücken. Wieder redete sie, als würde sie die Sánge-Kultur kennen, und die Wärme ihres Atems auf seiner Haut war wie eine belebende Naturkraft. Was wusste sie wirklich? Wer ist sie?
    »Hast du von dem geträumt, was dir widerfahren ist, Liebling? Hast du deshalb geschrien?«, fragte er so sanft er konnte. Er spürte, wie sie instinktiv die Finger in seinen Rücken bohrte.
    »Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist«, keuchte sie.
    Reule war sich da nicht sicher. Sie erinnerte sich an etwas. Ob es unzusammenhängende Angstblitze in ihrem Bewusstsein waren oder klare Geschehnisse in ihren Träumen, an irgendetwas erinnerte sie sich. Es würde eine Weile dauern, doch eines Tages würde sie wissen, was sie durchgemacht hatte. Im Augenblick schützte ihr Verstand sie vor dem Trauma, wartete vielleicht darauf, dass ihr Körper ganz geheilt war, bevor er sie dazu zwingen würde, sich geistig mit dem auseinanderzusetzen, was sie erlitten hatte.
    »Bitte verlass mich nicht mehr«, bettelte sie leise, und ihre Stimme war brüchig vor Angst.
    »Das habe ich nie getan, Kébé . Ich schwöre es. Ich war die ganze Zeit in der Nähe.«
    »Aber ich konnte dich nicht berühren. Ich konnte dich nicht umarmen oder mit dir reden. Ich konnte dich nicht sehen!«
    Reule schluckte schwer und biss schuldbewusst die Zähne aufeinander. Er hatte sich absichtlich ferngehalten von ihr, weil er seine Reaktion auf ihre seltsam direkte Art nicht hätte kontrollieren

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