Gabe des Blutes
können. Er hatte sie bestraft für seine Schwäche. Voller Abscheu über sich selbst schwor Reule Wiedergutmachung.
»Was hätte ich für dich tun können?«, fragte er mit leicht neckischem Ton, während er sie auf seinen Schoß zog und die Arme um sie legte.
Er drehte sich so, dass er sich am Kopfteil anlehnen konnte. »Du hast ein paar Tage verschlafen. Du warst gerade so weit wach, um etwas zu essen, und ich glaube, du hast sogar während deines letzten Bads geschlafen.«
Sie schnaubte leise an seinem Hals, ein abfälliges sarkastisches Geräusch, das ihm verriet, dass sie das nicht als Entschuldigung für seine Abwesenheit gelten ließ.
»Wenn du vorhast, in der wachen Welt zu bleiben, Kébé , werde ich mich gern um dich kümmern.«
Sie zögerte einen Moment lang, hob schließlich den Kopf und blickte ihm in die Augen. Erst jetzt bemerkte Reule, dass ihr Haar von einem dunklen Rot war, wie er es noch nie bei einer Frau gesehen hatte. Das war um so überraschender, als er sie im Arm gehalten und sie gebadet hatte, ohne die leiseste Ahnung, dass sich unter dem ganzen Schmutz diese erstaunliche Farbe verbarg. Er hatte erwartet, dass ihr Haar schwarz war oder braun … doch nicht dieses tiefe Rot. Rot wie Blut, die Ähnlichkeit ließ sich nicht leugnen. Wie Blut, wenn es gerann.
Auch dass ihr Haar so lang war, hatte er nicht bemerkt. Es reichte ihr bis zu den Ellbogen, war leicht gewellt und bildete große Spiralen, die in ein wildes Lockengewirr übergingen. Unfähig und vielleicht auch nicht gewillt, den Drang zu unterdrücken, nahm Reule eine der Locken zwischen zwei Finger und ließ sie der Länge nach hindurchgleiten. Sie war seidenweich und ein wenig feucht vom Schweiß ihrer Träume. Es war wirklich wunderschön, und Reule empfand es als bezaubernde Ergänzung zu ihren diamantenen Augen.
»Du magst mein Haar.« Es war eine Feststellung, wenn auch ein wenig schüchtern.
»Ja. Ist es schlimm, dass ich es mag? Es ist sehr hübsch.«
Sie blinzelte ihn mit ihren schimmernden Augen an. »Ich mag dein Haar auch.« Sie berührte sein Haar, und Reule versteifte sich. Sie spürte es am ganzen Körper und hörte erst kurz vor dem Haaransatz auf. »Ist dir meine Berührung so unangenehm?«, fragte sie leise, und es war eine Mischung aus Neugier und Schmerz, die sich in ihrem schräg gelegten Kopf und der gerunzelten Stirn zeigten.
»Nein«, sagte er und stieß die Luft aus. »Deine Berührung …« Er räusperte sich. »Deine Berührung ist ein besonderer Genuss, Kébé . Sánge-Haar … unsere Kopfhaut ist eine der empfindlichsten erogenen Zonen.« Am besten bin ich ganz offen zu ihr, dachte er. Sie schien die Dinge auf diese Weise besser zu verstehen. Und es schien ihr so auch lieber zu sein. Und ihm, ehrlich gesagt, auch.
»Oh«, sagte sie leise und ließ langsam die Hand sinken. »Ich erinnere mich manchmal so genau an Eigenschaften der Sánge, aber daran nicht.«
Sie hatte keine Ahnung, was diese Bemerkung in ihm auslöste. Sie erinnerte sich also bruchstückhaft an die Sánge.
»Wir sind vielschichtige Wesen«, sagte Reule freundlich zu ihr und achtete darauf, dass in seiner Stimme nicht Enttäuschung und Frustration mitschwangen. »Aber wir sind nicht die Tiere, für die man uns hält.«
»Tiere!« Sie setzte sich ruckartig auf und packte ihn an den Oberarmen. »Das ist lächerlich! Du, Para und Tetra, ihr seid Engel! Die Verkörperung von Barmherzigkeit! Eine Fremde aufzunehmen, die verdreckt ist und voller Probleme steckt, wo ihr mich einfach hättet sterben lassen können!«
»Niemals!« Sein heftiger Ausbruch überraschte sie beide. Reules Hände waren zu ihrer schmalen Taille geglitten und umfassten sie. Er hielt sie so fest, dass sie nicht zu atmen wagte. »Ich würde nicht einmal das niederste Tier auf diesem Planeten so leiden lassen, wie du gelitten hast«, erklärte er verlegen. »Du hast nach mir gerufen. Ein so trauriges Flehen könnte ich niemals ignorieren.«
Sie spürte Verzweiflung in seinen Händen, während er sie festhielt, ein Zittern seiner Muskeln, als er seine Gefühle unterdrückte. Dieser Mann, der so schroff und so mächtig zu sein schien, verbarg seine Gefühle, damit niemand sie bemerken konnte. Oder sie als Schwäche betrachtete, fügte sie in Gedanken hinzu. Wie musste sich das anfühlen? So tiefe Gefühle zu haben, sie jedoch nur ungern mitzuteilen, weil es eine Fassade zu wahren galt? Es engte einen ein und machte einsam, stellte sie fest. Viel einsamer, als ohne
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