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Gabriel - Duell der Engel

Gabriel - Duell der Engel

Titel: Gabriel - Duell der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Bergmann
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… Was war das gerade gewesen? Das waren doch nicht meine Worte, die da aus meinem Mund gekrochen waren. Oder? Was war nur los mit mir? Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich gesprochen hatte, hatte es nur aus der Sicht einer dritten Person mitverfolgt. Von außen betrachtet. Nicht eingegriffen. Ich war eine sehr passive dritte Person gewesen.
    Sonja sah mich verwirrt an. Kein Wunder, so hatte sie mich noch nie erlebt. So hatte ich mich noch nie erlebt. »Gabriel … Ich wusste nicht, dass du … Ich meine …« Ihr stockten die Worte. Scheiße, jetzt hatte ich auch noch Sonja verstört. »Weißt du, Gabriel, das … Ich meine, du kennst ihn doch auch noch nicht, oder? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hasst ihn. Aber du kannst doch niemanden hassen , oder Gabriel? Dazu bist du gar nicht fähig. Du bist vielleicht eifersüchtig auf ihn. Gut, wer ist das nicht hin und wieder? Aber hassen? Du hasst Momente. Wenn Udoriwitsch seine Augenbrauen hochzieht, zum Beispiel. Aber du hasst keine Menschen. Und erst recht niemanden, den du nicht kennst, oder Gabriel? Oder? «
    Sie wartete auf eine Bestätigung. Schon wieder. Ihr Blick war so drängend, dass er mir das Herz durchbohrte. Denn ich wusste, ich konnte ihr die Antwort, die so sehr brauchte, nicht geben. Konnte sie nicht belügen.
    Ich sah tief in mein Herz. Normalerweise ließ ich es in Ruhe in meinem Körper rumturnen. Heute nicht. Ich sah tief hinein und suchte nach einem Anzeichen von Eifersucht. Von Achtung. Von Gleichgültigkeit. Gegenüber Seraphin. Doch wo ich auch suchte, ich fand nur eines: Hass. Sonja hatte recht. Ich hasste eine Person, die ich kaum kannte.
    Ich sah ihr in die Augen, konnte ihrem Blick nicht länger standhalten und betrachtete einen Klecks Erdbeereis auf dem Boden. Gab ihr so eine stumme Antwort.
    Â»Gut.« Sonja spuckte mir das Wort ins Gesicht. Ich zuckte zusammen und wischte mir unwillkürlich über die Wange. »Ich muss nachdenken«, sagte sie leise. »Ich habe das Gefühl, ich kenne dich nicht mehr, Gabriel.« Dann hörte ich, wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde. Schritte auf dem Asphalt. Entfernten sich langsam.
    Â»Ich kenne mich auch nicht mehr«, murmelte ich tonlos.
    Ein junges Mädchen brachte endlich unser Eis. Zweimal Schokolade. Meine leisen Tränen fielen langsam hinein und brachten es schließlich zum Schmelzen.
    Neuer Tiefpunkt: 16:35 Uhr. Wann hatte dieser Tag nur endlich ein Ende?

14. Mai 2012, 23:58 Uhr
    Â 
    Die Nachtluft war eisig, trotzdem war mir nicht kalt. Im Gegenteil; je schneidender der Luftzug, desto wohler fühlte ich mich. Während ich durch die Lüfte fegte, dachte ich nach. Wie so oft beim Fliegen. Die Gedanken und den Körper gleiten lassen.
    Ich hasste also Seraphin. Gut. Schön. Aber war das denn so schlimm? Wenn ich es mir recht überlegte, war es sogar ziemlich normal. Verhält es sich mit dem Hass nicht genauso wie mit der großen Liebe? Irgendwann in seinem Leben trifft doch jeder einmal eine Person, die er hasst. Zu hassen beginnt. Oder?
    Eigentlich hatte Sonja doch gar keinen Grund, sich so aufzuregen. Dass ich kein absoluter Gutmensch war wie sie, hätte ihr klar sein müssen. Aber war es das? Hatte sie mich bisher immer für jemanden gehalten, der ich nicht war? Oder hatte ich mich verändert? Vorhin im Eiscafé war ich mir ja selbst ziemlich fremd vorgekommen. Und wenn ich mich verändert hatte; woran lag das? An Seraphin? An mir? Oder einfach an der Zeit?
    Meine Gedanken schienen auf einem dieser billigen Kinderjahrmarktkarussells festzukleben. Da, auf dem schwarzen Pferd saß Seraphin. In der Kutsche mein Hass. Auf dem braunen Pferd saß ich. Darüber schwebte ich als Engel. Und auf dem weißen Pferd saß Sonja. Sie überstrahlte alle anderen Personen. Ich wollte nur noch bei ihr sein. Doch bei jeder Runde wandte sie den Kopf ab. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen. Mein Herz begann zu stechen. Ich bekam keine Luft mehr. Wenn ich jetzt nicht bei ihr sein konnte, würde ich ersticken. Ich trieb mein Pferd zur Eile an, doch natürlich war es völlig sinnlos. Seit wann bewegen sich Holzpferde auf einem Karussell? Vielleicht, seitdem sich hinter mir Seraphin befand. Sein schwarzes Pferd saß mir so dicht im Nacken, dass ich den Todesatem aus seinen Nüstern spürte. Und Sonja verschwand vor mir in unerreichbare Ferne. Nur noch schwach blitzte

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