Gabriel - Duell der Engel
machen!«
Seraphin lachte leise und murmelte so etwas wie »Jetzt verstehân wir uns!«, dann warf er sich seine zerschlissene Tasche über die Schulter, begann, Hänschen Klein zu pfeifen und schlenderte betont lässig zur Tür. »Auf Wiedersehen, Herr Udoriwitsch!«, säuselte er noch spöttisch, dann schlug er die Tür hinter sich zu. Udoriwitsch brummte böse vor sich hin, während drauÃen Seraphins Melodie gemeinsam mit seinen ohnehin schon leisen Schritten verklang.
Notizen
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Manchmal vergesse ich, wer ich bin.
22. Mai 2012, 16:34 Uhr
Der Wind war ⦠okay, er war mir egal. Ist auch irgendwie öde, jede meiner Flugbeschreibungen mit dem Wind zu beginnen, oder?
Ja, ich flog wieder. Mal wieder. Hatte es nicht länger ausgehalten in meinem engen, dunklen Zimmer. Alleine. Während Sonja sich mit ihren Freundinnen traf. Ich hatte ihr gesagt, sie solle Barbara lieb von mir grüÃen. Sie hatte mich nur irritiert angesehen und gefragt: »Wer ist Barbara?«, dann hatte sie gelacht, mir einen Kuss auf die Wange gegeben und gemeint: »Du wirst dir die Namen nie merken können. Aber danke für die Mühe!« Und dann war sie gegangen. Die StraÃe runter. Ganz langsam. Hatte sich noch mal umgedreht. Mir eine Kusshand zugeworfen. Und war um die Ecke verschwunden. Ich hatte nur still dagestanden und ihr nachgestarrt, selbst, als sie schon längst nicht mehr zu sehen war. So lange, bis mich irgendein eiliger Passant, der alle Augen für sein Handy und keines für seine Umgebung hatte, fast umgerannt hätte. Dann war ich gegangen. Nach Hause. Hatte mich auf mein Bett gesetzt und Nirvana aufgedreht. Laut. Sehr laut. Zu laut. Als mein Trommelfell mich anschrie, es würde gleich platzen, merkte ich, dass es keinen Sinn hatte. Die Decke schien mir auf den Kopf zu fallen. Tatsächlich.
Nach der letzten Nacht hätte ich nie gedacht, dass ich noch mal den Mut aufbringen würde, zu fliegen. Zumindest in nächster Zeit nicht. Du solltest mich inzwischen gut genug kennen, um zu wissen, was für ein Feigling ich bin.
Doch ich hielt es nicht mehr aus. Wählte das geringere Ãbel. Den freien Fall. Aus meinem Fenster. (Gut, der letzte Satz hat wohl die Wirkung des vorletzten etwas abgeschwächt, aber sei es drum!)
Jetzt, drauÃen, an der frischen Luft, war ich froh über meine Entscheidung. Lieà den Wind meine Haare durcheinanderwirbeln. Spürte, wie mein Hemd flatterte. Saugte mich einfach mehr und mehr mit der Atmosphäre voll und wurde nicht satt. Nur glücklicher. Ein wenig.
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Dann sah ich ihn. Den schwarzen Schatten. Wie er gerade hinter einem Hochhaus verschwand. Mein erster Impuls war, so schnell wie möglich nach Hause zu fliegen und mich unter meiner Bettdecke zu verkriechen. Wie immer. Bisher war ich eigentlich ganz gut mit dieser Taktik klargekommen. Aber irgendein hässlicher Teil in mir weigerte sich, ein Feigling zu sein (mein Ego war es bestimmt nicht!). Ausgerechnet dieser Teil (ich glaube, er hieà Neugierde) übernahm jetzt die Kontrolle über meinen Körper und raste dem Schatten nach. Viel zu schnell für meinen Geschmack.
Ich kam hinter dem Hochhaus an und wäre fast mit ihm zusammengeprallt. Konnte gerade noch abbremsen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Hatte gedacht, er wäre schon längst wieder fort. Wie letzte Nacht. Er schwebte mit dem Rücken zu mir. Seine schwarzen Flügel unheimlich groÃ. Sein schwarzes Hemd unbewegt, kein Wind zerrte an ihm. Seine schwarzen Haare wirr.
Und die Angst hatte mich wieder.
Ich hing in der Luft wie erstarrt. Muss ein komisches Bild gewesen sein: Zwei Engel direkt hintereinander, beide bewegungslos schwebend in der Luft, der eine schwarz, der andere weiÃ.
Mein Magen fing langsam an, sich selbst zu verdauen. Das ungute Gefühl, das schon letzte Nacht in mir hochgekommen war, steigerte sich ins Unermessliche. Meine Kopfhaut begann zu prickeln. Fühlte sich eklig an.
Der Moment zog sich lange hin. Ich wünschte mir, er würde enden. Wünschte, es würde irgendetwas geschehen. Hielt es nicht mehr aus. Und war doch unfähig, mich zu rühren.
Als er sich endlich umdrehte und ich sein grinsendes Gesicht sah, war ich kaum überrascht.
»Hey, du auch hier?« Seraphins dreckiges Lachen lieà mein Herz zerschellen.
22. Mai 2012, 16:59 Uhr
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Ich wünschte, ein Splitter würde sich in ihn bohren. Ein besonders
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