Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabriel Labert

Gabriel Labert

Titel: Gabriel Labert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
Vom Netzwerk:
man eine Antwort erhalten konnte.
    Ich hoffte also gutgläubig, sein Brief sei wahrscheinlich geschrieben worden, ehe er den meinigen empfangen.
    Unter irgendeinem Vorwand ging ich zum Bürgermeister und bat ihn um Auskunft darüber. Er hielt den Geldschein in der Hand, den ihm Vater Th omas gegeben hatte.
    ›Nun, Marie!‹ sagte er, als er mich sah, ›dein Geliebter ist auf dem besten Weg, sein Glück zu machen.‹
    Ich antwortete ihm nur mit Tränen.
    ›Wie‹, rief er, ›es macht dir Kummer, daß Gabriel zu Geld kommt? – Ich habe schon immer gesagt, das Glück dieses Burschen liege in seinen Fingerspitzen.‹
    ›Mein Herr‹, erwiderte ich, ›Sie täuschen sich in mir; ich werde dem Himmel stets für jedes Glück danken, das Gabriel widerfährt; ich befürchte nur, er wird mich in seinem Glück vergessen.‹
    ›Das könnte schon sein, meine arme Marie‹, entgegnete der Bürgermeister, ›ich möchte nicht dafür einstehen, und wenn ich dir raten soll, sage ich dir: Komm Gabriel zuvor, sobald sich dir eine Gelegenheit bietet. Du bist ein fleißiges, ordentliches Mädchen, an dem ich nie etwas zu tadeln gehabt habe, trotz deines Verhältnisses mit Gabriel. Nun wohl! Ich würde den ersten hübschen Jungen, der sich zeigt, nehmen und gegen Gabriel tauschen; und höre, André Morin, der Fischer, sprach mit mir erst gestern davon.‹
    Ich unterbrach ihn und sagte: ›Herr Bürgermeister, ich werde entweder Gabriels Frau, oder ich bleibe ledig; wir haben uns Treue gelobt, die er vergessen kann, die ich aber nie vergessen werde.‹
    ›Ja, ja‹, erwiderte er, ›ich kenne das; so richten sich alle die armen, unglücklichen Mädchen zugrunde; mach es, wie du willst, mein Kind, ich habe keine Gewalt über dich, doch wenn ich dein Vater wäre, wüßte ich, was ich tun würde.‹
    Ich erkundigte mich schließlich noch nach dem, was ich wissen wollte, und kehrte wieder nach Hause zurück. Ich konnte mir leicht ausrechnen: Gabriel hatte an seinen Vater geschrieben, nachdem er meinen Brief erhalten.
    Ich wartete vergebens den nächsten Tag, den zweiten Tag, die ganze Woche, den ganzen Monat: Ich erhielt keine Nachricht von Gabriel.
    Eine Hoffnung hatte mich aufrechterhalten; da er keine Zeit gehabt, mir von Paris aus zu schreiben, würde er mir wohl von dem Hafen aus schreiben, wo er sich einschiffte, oder wenn er nicht von diesem Hafen aus schreiben konnte, würde er mir wenigstens von Guadeloupe schreiben.
    Ich verschaffte mir eine Karte und fragte einen unserer Matrosen, der mehrere Reisen nach Amerika gemacht hatte, welche Route die Schiffe fahren, wenn sie nach Guadeloupe wollen. Er zog mir mit dem Bleistift eine lange Linie, und ich hatte wenigstens den Trost zu sehen, welchen Weg Gabriel verfolgte.
    Bevor ich auf Nachricht von ihm hoffen dürfte, würden mindestens drei Monate vergehen. Ich erwartete mit ziemlich viel Ruhe den Ablauf dieser drei Monate, doch es kam nichts, und ich blieb in dem furchtbaren Halbdunkel, das man Zweifel nennt und das noch viel schlimmer ist als die Nacht.
    Die Zeit verging indessen; alle Empfindungen, die das Dasein und Wachsen eines Wesens ankündigen, regten sich in mir. Es sind gewiß köstliche Empfindungen, wenn das Kind in eine Familie hineinwächst, aber schmerzliche, bittere und gräßliche Empfindungen, wenn jede Bewegung an den Fehltritt und das Unglück erinnert.
    Ich war seit sechs Monaten in anderen Umständen, bis dahin hatte ich meine Schwangerschaft glücklich vor aller Augen verborgen; doch ein furchtbarer Gedanke verfolgte mich: der Gedanke, daß ich, wenn ich fortführe, mich so zusammenzuschnüren, das Leben meines Kindes gefährden könnte.
    Ostern stand kurz bevor. Das ist bekanntlich in unseren Dörfern die Zeit der großen Beichte. Auf ein Mädchen, das Ostern nicht wie die anderen feierte, würden alle ihre Kameradinnen mit dem Finger deuten.
    Ich war im Grunde meines Herzens zu religiös, als daß ich hätte zum Beichtstuhl gehen können, ohne meinen Fehltritt ganz zu enthüllen; seltsamerweise aber sah ich die Zeit dieser Enthüllung mit einer gewissen Freude nahen, in die sich jedoch auch Furcht mischte.
    Unser Geistlicher war ein frommer Greis mit weißem Haar und ruhigem, lächelndem Antlitz, bei dessen Anblick der Schwache, der Unglückliche oder der Schuldige fühlt, Unterstützung zu finden.
    Ich war also fest entschlossen, ihm alles zu sagen und mich von seinen Ratschlägen leiten zu lassen. Am Vorabend des Tages, an dem alle jungen Mädchen

Weitere Kostenlose Bücher