Gabriel oder das Versprechen
Herr
Hauptkommissar, ich habe Ihnen Carlo noch gar nicht vorgestellt. Er
ist mein Barkeeper und sozusagen meine ›rechte Hand'!«
»Mancini, Carlo Mancini, eigentlich
mehr Mädchen für alles«, ergänzte Carlo, lachte und zwinkerte
seiner Chefin zu.
»Ja, er ist die gute Seele des
Bistros. Auch die Gäste mögen ihn. Wenn Sie irgendwelche Fragen zum
täglichen Ablauf haben, wenden Sie sich ruhig an ihn. Wir arbeiten
schon längere Zeit zusammen.«
»Eines ist mir noch nicht ganz klar
geworden«, ergriff nun der Oberkommissar das Wort, der bis dahin
geschwiegen hatte. »Was will der Täter mit den Karteikarten, wenn
darauf nur erkennbar ist, wer von wem ein ›Ja‹ oder ein ›Nein‹
erhalten hat?«
»Vielleicht ist er so verschroben,
dass ihn wirklich nur das interessiert. Dann muss er aber -
Verzeihung - mindestens eine Schraube locker haben«, antwortete
Vera. »Was ich Ihnen allerdings noch nicht gesagt habe, ist, dass
ich nach der Veranstaltung auf die eingesammelten Karteikarten,
Geburtsdatum, vollständige Anschrift und die E-Mail-Adresse des
jeweiligen Teilnehmers notiere.«
»Auch gestern?« fragte der
Hauptkommissar. »Ja, auch gestern. Das mache ich üblicherweise erst
am nächsten Vormittag. Aber gestern gingen die Gäste überraschend
früh. Ich fühlte mich fit und habe deshalb noch schnell den größten
Teil meiner Hausaufgaben erledigt.«
»Dann möchte ich Sie bitten, mir
einen vollständigen Auszug Ihrer Kundendatei zu fertigen, getrennt
nach den gestrigen Teilnehmern und Ihren übrigen Kunden, mit allen
Daten. Wenn möglich auch mit den Aufzeichnungen, wie sie sich
jeweils zu ihren Gesprächspartnern geäußert haben.«
Vera zögerte. »Höchst ungern. Das
müssen Sie verstehen. Nicht wegen der Arbeit. Das ist nicht so
schlimm, weil ich entsprechende Excel-Dateien angelegt habe, die
ich nur ausdrucken muss. Aber schließlich ist Diskretion in unserem
Metier oberstes Gebot!«
»Ich verstehe Sie voll und ganz,
aber wir müssen damit rechnen, dass wir es hier möglicherweise doch
mit einem Psychopathen zu tun haben und da ist jeder Hinweis
wichtig!«
»Na gut, dann ist mein Wochenende ja
schon ausgebucht«, seufzte Vera resignierend. »Carlo, dann wirst du
den Laden wohl fast alleine schmeißen müssen«, fügte sie an ihren
Barkeeper gewandt hinzu. »War's das?«
»Eine Frage hätte ich noch. Gibt es
eine Altersbegrenzung?«
»Ja, nach unten und nach oben. Bei
mir gibt es zwei Altersgruppen. Die eine Veranstaltung ist für die
20- bis 50-jährigen, so wie gestern, die andere für die 40- bis
70-jährigen«, erwiderte Vera.
»Das heißt aber doch, dass die 40-
bis 50-jährigen wählen können, welche Party sie besuchen wollen.
Warum das?«
»Gerade in dieser Altersgruppe, ich
nenne es mal das ›Midlife-Krisen-Segment‹, gibt es ausgeprägte
›Jungbrunnen-Aspiranten‹, die in der zweiten Kategorie völlig fehl
am Platze wären. Und umgekehrt gibt es in diesem Alter Personen,
denen, wie soll ich es nennen, der ›Jugendwahn‹ ein Dorn im Auge
ist. Die wären in der ersten Kategorie schlecht aufgehoben«,
erklärte Vera. »Gut, Frau Corts, verstehe. Das wär's dann auch
für's Erste. Haben Sie jemanden an der Hand, der Ihnen auf
die Schnelle - zumindest notdürftig - das
Toilettenfenster repariert, wenn die Jungs von der SpuSi fertig
sind?« Vera nickte mit dem Kopf. »Ja, der Mann einer Freundin von
mir ist Schreiner. Hab ihn schon
angerufen.«
»Noch eins. Kommen Sie doch bitte
mit Herrn Mancini am Montag um 14.00 Uhr ins Polizeipräsidium in
die Friedrich-Engels-Allee, um das Protokoll zu unterschreiben.
Vielleicht haben wir ja auch noch ein paar Fragen. Die Ergebnisse
der SpuSi liegen dann sicherlich schon vor. Ist 14.00 Uhr
okay?«
»Geht in Ordnung, passt uns gut.
Montags haben wir ohnehin geschlossen.«
»Nehmen Sie das mit dem Einbruch
nicht so tragisch. Ist ja nichts weiter passiert. Wollen wir
hoffen, dass es nur ein harmloser Spinner ist.«
»Und wenn nicht?« fragte Vera jetzt
doch etwas beunruhigt. »Es könnte ja auch ein Irrer sein, der
irgendwelche Wahnvorstellungen hat und ganz und gar nicht harmlos
ist«, fügte sie mit ernstem Gesicht hinzu. »Sie sollten sich jetzt
wirklich nicht unnötig Sorgen machen«, versuchte Klee, sie zu
beschwichtigen. »Ich hoffe nur, dass Sie Recht haben.«
»Das hoffe ich auch! Schon weil
Ihnen die Sorgenfalten überhaupt nicht stehen«, meinte er
aufmunternd. »Netter Versuch, mich zu beruhigen. Aber stimmt
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