Gabriel oder das Versprechen
der
besseren Geschäftsmöglichkeiten - nach Düsseldorf gegangen ist.
Vielleicht wollte er seinen Freundeskreis nicht aufgeben, und ist
deshalb hier wohnen geblieben, zumal er hier am
Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium sein Abitur gemacht hat.«
»Interessant, erneut zeigt sich eine
Verbindung zu Düsseldorf und Wuppertal. Sicherlich kein Beweis,
aber wieder ein Indiz«, ergänzte Phillip.
»Nun sollten wir aber nicht die
Hände in den Schoß legen. Lagiers Anwalt ist mit allen Wassern
gewaschen und wird versuchen, seinen Mandanten rauszupauken«,
ermahnte Fassbinder seine Mannschaft. »Hat die Spurenauswertung der
KTU denn irgendwelche brauchbare DNA hervorgezaubert?«
»Absolut nichts. Der Täter ist
ausgesprochen vorsichtig zu Werke gegangen. Vielleicht hat er sogar
einen Plastiküberzug getragen.«
»Schon möglich, er ist zwar offenbar
ein Psycho, aber leider auch ein intelligenter…«
»Was meinen Sie, Chef, sollen wir
noch mal die gesamte Kartei von Vera Corts durchnudeln? Ich glaube
noch nicht so recht daran, dass Lagier unser Mann ist. Reines
Bauchgefühl, aber das stimmt ja auch gelegentlich. Wenn das mit dem
Anagramm nicht wäre, würde ich steif und fest behaupten, dass wir
den Falschen haben«, mischte Marc sich in das Gespräch ein. »Ich
hatte bei der Vernehmung ausreichend Gelegenheit, ihn zu beobachten
und danach bin ich fast sicher, dass er mit den Morden nichts zu
tun hat.«
»Und die ganzen Indizien? Seine mehr
als wackeligen Alibis?«
»Okay, okay. Ich gebe zu, dass diese
Punkte alle gegen ihn sprechen. Aber was ist, wenn einer seiner
Kollegen von der Tourismusbörse sich an ihn erinnert und ihm für
den fraglichen Zeitpunkt ein Alibi gibt? Dann sehen wir beim
Haftprüfungstermin - und der kommt so sicher wie das Amen in der
Kirche - dann sehen wir ganz schön alt aus.«
»Du malst ein bisschen schwarz,
Marc, aber es kann wirklich nicht schaden, wenn wir uns lückenlos
alle ›Speed-Dates‹ aus Veras Bistro vorknöpfen und sie nach
Auffälligkeiten während der Partys befragen. Und dich möchte ich
bitten, dich speziell um Marcus Zeitz zu kümmern. Er hat nach
unseren Unterlagen die engste Verbindung zu Lagier.«
»Mach ich, Chef, mal sehen, wo und
wann ich ihn erwische.«
Marcs Kollegen waren über die neuen
Aufgaben nicht erfreut. Aber sie wussten, dass es nur konsequent
war, die Arbeit fortzusetzen und auch nach einem anderen möglichen
Täter zu suchen.
Die nächsten beiden Tage verliefen
ohne besondere Zwischenfälle. Die Sonderkommission war mit
Routinebefragungen beschäftigt, erkundigte sich beim LKA und bei
der KTU mehrmals nach Ergebnissen
durchgeführter Analysen und musste leider feststellen, dass es auch
weiterhin nichts Neues gab. Auch bei den Befragungen trat man auf
der Stelle. Es war wie verhext. Die einzigen Spuren, denen die
Ermittler folgen konnten, waren die, die der Täter selbst gelegt
hatte. Und zwar bewusst gelegt hatte. Aber wie die Schienen einer
geraden Eisenbahntrasse sich am Horizont nur scheinbar berühren,
sollten nach dem Willen des Täters die beiden Schienen niemals
zueinander finden.
37
Gabriels Wohnung, Donnertag, 28.
Mai, 7.00 Uhr
Gabriel stand vor dem Altar. Wieder
war ein Morgen nach langem traumlosen Schlaf angebrochen. Meistens
schlief er unruhig. Aber in den Nächten, die einer neuen Mission
vorangingen, lag er wie in Abrahams Schoß. Trotz des mit Nägeln
gespickten Gürtels, der sich während der Nacht in das Fleisch
seines Oberkörpers gebohrt hatte. Er legte ihn ab und schlüpfte in
sein Büßergewand. Er kniete nieder, faltete die Hände, senkte sein
Haupt und sprach Verse aus dem 36. Psalm. »Es ist von Grund meines
Herzens von der Gottlosen Wesen gesprochen, dass keine Gottesfurcht
bei ihnen ist. Sie schmücken sich untereinander selbst, dass sie
ihre böse Sache fördern und andere verunglimpfen. Alle ihre Lehre
ist schädlich und erlogen; sie lassen sich auch nicht weisen, dass
sie Gutes täten; sondern sie trachten auf ihrem Lager nach Schaden
und stehen fest auf dem bösen Wege und scheuen kein Arges. Herr,
deine Güte reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit,
soweit die Wolken gehen.« Gabriel stand auf, verneigte sich vor dem
Kreuz und berührte mit seinen Lippen das auf dem Samtkissen
liegende Faustmesser. Er fühlte, wie die Kraft zurückkehrte. Gott
hatte ihm vergeben und die Reinigung seiner Seele
bewirkt.
Dann wandte er sich ab, ging ins
Bad, um den Schmutz auch von seinem Körper zu waschen, auf
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