Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
Vom Netzwerk:
und Daniel fröstelte. So hatte ihn seit über tausend Jahren nur der General genannt. Verwirrt schaute er zu dem rätselhaften Mann auf. »Nichts wird ihn daran hindern, Sie zu töten.«
    Daniel versuchte nachzudenken. Doch es fiel ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen, die von seinen stürmischen Emotionen völlig durcheinandergebracht wurden. Nur eins stand eindeutig fest: Er musste dem Fremden recht geben, wenn er auch keine Ahnung hatte, woher der Mann das wusste.
    »Aber ich kann Sie vor seinem Zorn retten, Xathaniel«, fuhr die machtvolle Stimme fort. »Ich allein bin dazu fähig.«
    Daniel traute seinen Ohren kaum. »Was … was wollen Sie von mir?«, stammelte er heiser.
    »Sie, Xathaniel«, erklärte der Fremde schlicht, in einem endgültigen Ton, der Daniel einen Schauer über den Rücken gejagt hätte, wäre er nicht ohnehin in eisigem Entsetzen erstarrt. »Ihre Loyalität, Ihren Gehorsam. Für alle Zeiten sollen Sie mir dienen.«
    Die Stille zog sich in die Länge, nur von Donnergrollen über den Hügeln und prasselnden Regentropfen durchbrochen. Langsam erhob sich Daniel. Die Schuhe des Fremden schlugen unüberhörbar auf dem Asphalt auf, als er noch näher trat. Auf der anderen Seite des reglosen Sternenengels blieb er stehen.
    »Wer sind Sie?«, flüsterte Daniel.
    »Nennen Sie mich Sam«, erwiderte der Mann leichthin. »Ich brauche nur Ihr Wort.« Jetzt spürte Daniel die ganze Wucht der Macht, die ihm entgegenschlug, die ihn einhüllte und fast lähmte, zehntausend Mal stärker als seine eigene Kraft. »Oh«, fügte Sam lächelnd hinzu, als wäre ihm soeben noch etwas eingefallen, »und Ihre Unterschrift.«
    Er griff in eine Innentasche seines eleganten Jacketts und holte einen Füllfederhalter hervor, der im Scheinwerferlicht des Autos eigenartig glänzte. Wie hypnotisiert starrte Daniel ihn an und zitterte noch heftiger. Dann betrachtete er wieder den Sternenengel und sank erneut auf die Knie, angezogen von Juliettes Schönheit und erfüllt von dem schmerzlichen Verlust, den er erlitten hatte. Instinktiv versuchte er wieder, ihren Puls zu ertasten, Herzschläge zu spüren. Nichts. Natürlich. Warum hätte sich das geändert haben sollen?
    Aber ich habe nicht geschossen, dachte er und fürchtete, den Verstand zu verlieren. Das weiß ich. Warum hat sich dieser Schuss gelöst?
    »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte Sam sanft. Daniel sah wieder zu ihm auf, und die grauen Augen zogen ihn in einen sonderbaren Bann. Bildeten sich Gewitterwolken in ihren Tiefen? Blitze? Die in surrealem Kontrast über die schwarzgraue Iris zuckten? Als würde die Welt die phänomenale Macht dieses Blicks reflektieren, ertönten Donnerschläge über den Feldern und erschütterten die Erde unter Daniels Knien.
    »In dieser Feder ist keine Tinte«, hörte er sich murmeln, und er fixierte den funkelnden Kristallfüllfederhalter in Sams Hand.
    »Weil sie keine benötigt.« Jetzt wirkte das Lächeln grausam. Blitze erhellten den Himmel, das Donnergrollen näherte sich.
    Immer heftiger zitterten Daniels Finger am kalten Hals des Sternenengels. Er schaute Juliette wieder an, das dunkelrote Blut, das unter ihrem zarten Körper eine Pfütze bildete, ein Zeugnis des schrecklichen, unverzeihlichen Verbrechens, das auf dieser nächtlichen Straße verübt worden war. Sie ist tot, sagte er sich. Und ich bin auch tot. Sein Blick schweifte wieder zu dem Fremden, der so geduldig und schweigend wartete, den glitzernden leeren Füllhalter in der erhobenen Hand. Es ist vorbei.
    Schwankend stand er auf und musterte die Feder. »Eine Diamond, nicht wahr?« Auf seinen Lippen schmeckte er Tränen. Sam antwortete nicht. Das war auch nicht nötig, denn Daniel wusste es ohnehin. »Womit wird die Feder gefüllt?«
    Sams hypnotische Augen wurden hart, ganz leicht hoben sich seine Mundwinkel. Wortlos ergriff er das Handgelenk des Adarianers und hielt es hoch.
    Daniel war wie versteinert, unfähig – oder vielleicht auch nicht gewillt –, sich loszureißen.
    Mit den Fingern, die immer noch die Feder umfassten, schob der Fremde Daniels Ärmel hoch und entblößte die Haut an seinem Handgelenk. Dann drückte er die glänzende Metallspitze in eine blaue Ader.
    Ein scharfer Schmerz ließ Daniel zusammenzucken. Es war, als rasten Flammen von der Stichwunde durch den Arm und die Schulter in seine Brust, bis sein Herz Feuer zu fangen schien. Doch er brachte keinen einzigen Laut hervor. Die ungeheuren Qualen strahlten in seinen ganzen Körper aus.

Weitere Kostenlose Bücher