Gabriel
mehr existierte. Im Wagen war sie am sichersten aufgehoben, und sobald es einem der drei Brüder gelang, ein neues Portal zu öffnen, würde sie hindurchschlüpfen.
Aber bevor sie gehorchen konnte, versank die Welt in Finsternis. Erschrocken schrie Juliette auf, als Uriel von ihr weggezerrt wurde. War sie erblindet? Verzweifelt bemüht, nicht in Panik zu geraten, rieb sie sich die Augen und versuchte ihre Umgebung zu ertasten. Doch sie spürte nur das Auto. In der arktischen Kälte begannen ihre Finger zu erfrieren. Instinktiv ließ sie sich neben dem Wagen nieder und schob ihre Hände in die Jackentaschen. Wenigstens ein bisschen Wärme. Schluchzend fühlte sie, wie ihre Tränen auf den Wangen vereisten.
Und dann streiften ihre Finger etwas Glattes, Hartes. Das Armband! Gabriels Geschenk. Seither hatte sie ihre Kleidung mehrmals gewechselt, aber das Schmuckstück stets bei sich getragen.
Um sie herum lärmte es, immer heftiger bebte die Erde. Bei jedem Atemzug brannten Juliettes Lungen in der unnatürlichen Kälte. Als sie den Mund öffnete, schmerzten ihre Zähne, die Nasenlöcher waren fast zugefroren. In ihrer Nähe ertönte eine Explosion, ein Knacken erklang, als würde eine Eissäule einstürzen.
› Beherzigen Sie die Lektionen der Geschichte. ‹In ihrem Gehirn hallten Sams Worte wider, vernehmlich im Wirbel ihrer Gedanken, der schrillen Dissonanz der einstürzenden Welt. Welche Lektionen? Was habe ich in meinen vielen Leben gelernt, was mich für einen Kampf gegen die Adarianer wappnen könnte?
Ihr Herz pochte im Schnellfeuertempo, nacktes Entsetzen erfasste sie so eisig wie der Frost ringsum. Intuitiv schlug sie die Hände vors Gesicht, um es zu schützen, als in ihrer Nähe ein Blitz zuckte, und sie versank in noch schwärzerem Nichts.
Bald werde ich sterben, dachte sie hysterisch, Gabriel nie wieder küssen, niemals mit ihm nach Schottland ziehen, keine Dissertation über dieses Land schreiben. Das einzige Material, das ich hier gelesen habe, war diese blöde Seite in dem Buch, das Law mir in den Schrank gelegt hatte.
Plötzlich lichtete sich das magische Dunkel. Juliette wurde in grelle Farben getaucht, die zu der Kakofonie passten, und ließ die Hände sinken, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der blauäugige blonde Adarianer im Torfmoor am Hang eines Hügels landete und eine Fontäne aus Torfklumpen in die Luft schoss. Uriel hatte ihn dorthin geschleudert. Uriel, der jetzt in den Himmel emporschwebte, von gigantischen schwarzen Flügeln getragen.
Verblüfft schnappte Juliette nach Luft, die erneut eisig in ihren Lungen brannte. Sie hustete qualvoll, dann schlang sie die Arme um ihren Leib und sah sich rasch um.
Gabriel und der große schwarzhäutige Adarianer kämpften miteinander. Beide bluteten aus diversen Wunden, sodass es Juliette fast das Herz zerriss. Drüben im Torfmoor landete Uriel jetzt am Boden. An seinem Rücken falteten sich die großen schwarzen Schwingen zusammen und verschwanden, bevor er und der Blondschopf aufeinander zustürmten und einander an der Kehle packten.
Juliette riss den Blick von ihnen los und entdeckte Michael, der zwei Adarianer gleichzeitig bekämpfte. An manchen Stellen war seine Kleidung versengt. Offenbar hatte er sich nach dem Blitzschlag selbst geheilt. Nachdem er einen der Feinde mit einem Fausthieb erledigt hatte, stürzte sich sofort noch einer auf ihn und stellte seine immense Kraft auf die Probe.
Juliette war beeindruckt. Michael war wahrhaftig immer noch ein Krieger. Doch der Frost forderte seinen Tribut, sie verlor das letzte Gefühl in ihren Fingern und Zehen. Als sie sich von Michael abwandte, sah sie den dunkelhaarigen Adarianer etwa zwanzig Meter von ihr entfernt stehen. Durchdringend starrte er sie an, seine schwarzen Augen glitzerten in diesem unnatürlichen Winter mit beängstigender Intensität. Das musste der Mann sein, der die Temperatur kontrollierte. Er erschwerte ihr das Denken, die Bewegungen und den Erzengeln wahrscheinlich den Kampf.
Ein Blitz soll ihn treffen! ,dachte sie. Aber sogar ihr Gehirn schien jetzt zu stottern, vor Kälte fast betäubt. Sie schaute nach oben in die Schwärze, versuchte sich auf unsichtbare Wolken zu konzentrieren. Da schnellte der Boden unter ihr empor und warf sie gegen das Auto. Der harte Aufprall presste alle Luft aus ihren Lungen, in ihrem Blickfeld tanzten Sterne.
Warum bringt er mich nicht einfach um? Stöhnend krümmte sie sich zusammen und zog ihre Knie an die Brust. Der dunkelhaarige
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