Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
Vom Netzwerk:
seitwärts zu einem grünen Monster von Pflanze, die aussah wie eine genmanipulierte Büropflanze mit drei Meter hohen Stängeln. Er nahm sein Messer aus dem Beutel und stach ein dreieckiges Loch in eine der fetten Blattscheiden hinein. Sofort lief Wasser heraus wie aus einem Hahn. Er brauchte sich nur darunterzustellen und den Mund aufzumachen. Wir sahen ihm fassungslos zu. Wir Idioten hätten beinahe mikrobenverseuchtes Sumpfwasser getrunken, ein paar hundert Liter bestes Regenwasser in greifbarer Nähe, die betreffende Pflanze wuchs nämlich überall. Zur Aufmunterung bekamen wir noch ein bisschen Honig, danach war die Bambusdose so gut wie leer, das Verhältnis von ertrunkenen Bienen zu Honig näherte sich seiner kritischen Grenze.
    Ehe wir uns wieder auf den Weg machten, bemerkte ich, dass M’bale ein paar kleine Lianen zusammendrehte und einen Knoten hineinmachte. Wozu er das mache, fragte ich ihn.
    »No’ chemin.«
    Damit man wisse, wo wir gegangen seien. M’bale zögerte, sah von mir zu Felicité. Winkte uns näher heran. Dann raunte er ganz leise: »Maka.« Er streckte die Hände seitwärts und legte sich dann den Finger auf den Mund. »M…hm!«, machte er.
    Der Ungenannte. Er lebe im Wald. Man solle seinen Namen nicht aussprechen. Er sei ein Tier und kein Tier. »Bête et pas bête.« Der Ungenannte sei das Tier, das weiß. Die anderen Tiere wüssten nicht, dass sie Tiere sind. Maka habe es ihnen nicht gesagt. Weil sie es nicht wüssten, könne man sie jagen und töten. Aber Maka könne man nicht töten. Er folge unserer Spur, aber er zeige sich nicht, er zeige sich nur dem, der sterben müsse. Man dürfe deshalb nicht zu schnell auf dem gleichen Weg zurückgehen, sonst sehe man ihn vielleicht. »Il faut l’eviter.« Er wolle, dass man ihm aus dem Weg gehe. Deshalb müsse man ab und zu ein Zeichen hinterlassen.
    M’bale schaute uns eine Weile ernst in die Augen, als wollte er das Ganze auf diese Weise in unseren Köpfen versiegeln. Dann deutete er auf meine Tasche: »C’est là.« Das dort drin: »La tête.« Das könne mit Maka sprechen. M’bale versicherte uns, dass wir Maka nicht begegnen würden, solange wir den Affenschädel bei uns hätten.
    »Très fort, c’est là.« Aber das gelte nur für uns, nicht für ihn.
    Mit einem angedeuteten Kopfschütteln ließ er uns wissen, dass er uns trotz der Kräfte, die er dem Schädel zuschrieb, nicht um das Ding beneide.
    Noch zwei weitere Stunden quälten wir uns durch das Dickicht, dann brauchten wir wieder eine Pause. M’bale sah ein, dass wir nicht mehr weiterkonnten. Seine Vorräte waren nicht für einen Mann mit Hund plus zwei Riesen berechnet. Er werde Essen holen, sagte er nach einer Zigarettenpause, der letzten, weil die Zigaretten damit aufgeraucht waren. Danach verschwand er wie gewohnt spurlos zwischen den Blättern des nächstgelegenen Dickichts.
    Wir Zurückgebliebenen beschäftigten uns solange mit den entzündeten Blutegelbissen, den Mückenstichen und den roten Ameisen, die immer wieder ihren Weg unter unsere Kleider fanden. Schweren Herzens verbrauchten wir das restliche Autan. Felicité meinte, wir müssten die Blutegelbisse ab jetzt mit Spucke behandeln, Spucke sei immerhin antiseptisch. Also versuchten wir es zuerst mal jeder mit seiner eigenen Spucke, aber das war langwierig, weil sie den Umweg über die Finger machen musste. Schließlich kauerten wir abwechselnd über den Waden des anderen und desinfizierten sie mit Spucke. Es gibt Schlimmeres, wenn man sich einigermaßen versteht. Ich bekam jedenfalls eine Ahnung davon, was Intimität unter extremen Bedingungen bedeuten kann.
    Als Erster kam der Hund wieder. Er schlüpfte lautlos aus dem Gebüsch und freute sich, dass wir noch da waren, sein Schwanzstummel zeigte einen Ansatz von Wedeln. Zwei Schritte von uns entfernt ließ er sich nieder, um friedlich vor sich hin zu hecheln. Dann kam M’bale, ebenso lautlos wie sein Hund. Lachte zur Begrüßung sein Lachen ohne Schneidezähne und legte eine Tasche vor uns auf den Boden, die geschickt aus einem großen fein geäderten Blatt gefaltet war, sie erinnerte an ein Kuvert und hatte die Größe einer Laptoptasche.
    »Manger«, sagte er und verdrehte die Augen, dazu machte er mit zusammengedrückten Fingern vor dem Mund das schon erwähnte Zeichen. Wir kapierten nichts, aber das hatte er sich schon gedacht. Er schüttelte den Kopf über unsere Beschränktheit und faltete die Tasche auf. Zu meiner Überraschung lag ein gutes Dutzend

Weitere Kostenlose Bücher