Gabun - Roman
meinem Magen gefror der Kaffee, den ich eben noch getrunken hatte. Duvalle verschränkte die Hände ineinander, am kleinen Finger seiner Linken glänzte ein goldener Ring. Die Hände eines Intellektuellen. Schlank, gepflegte Fingernägel, Hände für die Tasten eines Laptops.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Duvalle.
Sein Blick hatte mich losgelassen, er schien den verhängten Zelteingang zu betrachten. In der langen Pause, die auf seine Mitteilung folgte, war er mit Zusammenhängen beschäftigt, die ich nicht zu ergründen hatte. Er zelebrierte den Akt des Nachdenkens, das Abwägen von Alternativen. Ich konnte vielleicht einen Beitrag leisten, das war er dabei zu prüfen.
»Die erste Möglichkeit ist vielleicht unangenehm für Sie. Die zweite ist noch unangenehmer.« Er lächelte vor sich hin. »Erstens, Sie erzählen mir gleich, was ich wissen will, zweitens Sie erzählen es mir später. Aber glauben Sie mir, Herr Jesper«, er nahm wieder Blickkontakt mit mir auf, »Sie werden es mir erzählen.«
»Was passiert mit uns?«, sagte ich.
Es rutschte mir einfach heraus. Ich war noch nicht wieder ganz bei mir. Duvalle zuckte mit den Achseln, die Brauen bedauernd angehoben.
»Woher soll ich das wissen?«, sagte er. »Das hängt von Ihnen ab und von den Umständen. Wissen Sie«, er beugte sich nach unten und nahm den Kaffeebecher vom Boden auf, sah ihn sich an, »diese Frage stelle ich mir schon lange nicht mehr. Was passiert, meine ich.«
Er erhob sich, dehnte die Schultern. Trank seinen Kaffee aus. Blieb einen Moment vor mir stehen.
»Was ist das für ein Gewehr?«, fragte er. »Wem gehört es?«
Ich hatte ihn gut verstanden vorhin. Und die Zeit hatte mir auch gereicht, um nachzudenken. Ich sah keinen Grund, nicht kooperativ zu sein, bis hierher jedenfalls.
»Es gehört Knud De Vries«, sagte ich.
»De Vries. Warten Sie mal.«
Duvalle ging um den Tisch herum, auf dem der aufgeklappte Laptop stand. Den leeren Kaffeebecher warf er in einen bereitstehenden Papierkorb und setzte sich an den Tisch. Ich hörte die Tasten des Computers klappern.
»Ah«, sagte er. »De Vries, okay. Und wie kommen Sie zu dem Gewehr?«
»De Vries war bei uns in der Lodge, in Gabun«, sagte ich. »Als Gast, zusammen mit einem Russen namens Saffkin. Der verschwand nach ein paar Tagen, und De Vries nahm an, dass er sein Verschwinden selbst inszeniert habe. Er glaubte, der Russe wolle ihn bei einem Geschäft ausbooten. Deshalb hat er die Lodge verlassen. Und ich sollte ihn begleiten.«
»Und die hübsche junge Dame da draußen? Sollte die ihn auch begleiten?«
»Nein. Sie wollte das Ganze verhindern. Deshalb ist sie mitgeflogen. Aber De Vries hat das vereitelt.«
Ich erzählte die ganze Geschichte, nur die Diamanten ließ ich weg. Duvalle hörte mir zu. Dabei sah er mir die ganze Zeit aufmerksam ins Gesicht. Ich hatte das Gefühl, er ahnte mehr, als mir lieb war.
»Worum ging es bei De Vries’ Geschäften, und weshalb sollten Sie ihn begleiten?«
»Das weiß ich nicht. Er wollte es mir nicht sagen. Er sagte, je weniger ich wüsste, desto besser für mich. Er wollte es mir erst sagen, wenn wir dort angekommen wären.«
Das kam glaubhaft heraus, fand ich. Duvalle sah mich noch eine Weile lang an, dann wich sein Blick ab, ging wieder an mir vorbei.
»Verstehen Sie etwas von Geschäften hier in Afrika, Herr Jesper? Worin, denken Sie, bestehen zum Beispiel meine Geschäfte?«
»Keine Ahnung.« Ich schüttelte den Kopf. »Sie sind Offizier, oder?«
»So ähnlich«, sagte Duvalle. »Aber hier ist nichts, wie es scheint. Dieses Land befindet sich im Übergang. In einem Zustand der Gärung, verstehen Sie, aus dem etwas Neues entstehen wird. Ich bin ein Teil des Übergangs. Ist Ihnen die Offenbarung des Johannes ein Begriff?«
Ich verneinte. Ich hätte nicht geglaubt, dass meine Bibelfestigkeit hier geprüft werden würde. Duvalles hübsches Gesicht mit den markanten Wangenknochen und der glatten schwarzen Haut verriet nichts, er schien völlig entspannt zu sein.
»Ich sah ein fahles Pferd«, deklamierte er. »Und der, der auf ihm saß, heißt ›Der Tod‹, und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde. Kennen Sie das?«
Ich schwieg. Was sollte ich sagen.
»Vier Reiter werden kommen«, fuhr Duvalle fort, die Stimme angehoben, als lese er in einer Kirche. »Der erste ist weiß, er ist der Gerechte,
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