Gabun - Roman
der zweite rot, der dritte schwarz und der vierte, das ist der, der auf einem fahlen Pferd sitzt. Sie bringen Blut und Tod, Krankheit und Furcht.« Mit normaler Stimme fügte er an: »Die Bibel enthält manches, Herr Jesper, was einem zu denken geben kann.«
»Was geschieht mit uns?«
»Wir werden sehen. Meine Wölfe dort draußen sind immer hungrig. Ich werde Sie und Ihre schöne Freundin vor ihnen schützen müssen. Aber ich weiß nicht, ob und wie lange ich das möchte.«
Ich wollte mir nichts dazu denken, aber es beschwerte mir das Herz, dass ich dem nicht ausweichen konnte, was mir sofort in den Sinn kam. Es war vielleicht schlimmer, als wenn Duvalle mir ausgemalt hätte, was auf uns wartete.
»In Ihrer Tasche, Herr Jesper, was haben Sie da drin?«, fragte er.
Ich zählte ihm die Socken und Hemden auf, meinen Geldbeutel, die vier Euro.
»Haben Sie nichts vergessen?«
»Ich habe den verdammten Schädel nicht vergessen«, sagte ich. »Ich rede nur nicht gern darüber.«
»Nein?« Duvalle wirkte amüsiert. »Das ist eine sehr afrikanische Sache, was Sie da haben, und ehrlich gesagt das Einzige an Ihnen, was ich nicht verstehe. Ich habe verstanden, dass Sie ein unerfahrener junger Deutscher sind, der sich etwas Geld verdienen wollte und in eine dumme Geschichte hineingeraten ist. Man hat mir berichtet, dass Sie ein Feigling sind, jemand, dem man keine Frau anvertrauen kann. Nun, es gibt viele Feiglinge. Aber dieses … Ding in Ihrem Gepäck, das gibt mir Rätsel auf.«
Duvalle machte ein paar Schritte zum Zelteingang und horchte einen Moment, als vermute er jemanden hinter der herunterhängenden Plane. Kam zurück.
»Hier in Afrika«, sagte er, »macht man mit so etwas keine Scherze. Mir zum Beispiel traut man zu, dass ich mich bei Bedarf in ein Krokodil verwandeln kann. Das kann ich auch, in der Vorstellung gewisser Menschen jedenfalls, und das ist gut so. Aber Sie, Herr Bernd Jesper aus Berlin, was haben Sie für eine Beziehung zu einem solchen – nun, ich nenne es vorsichtigerweise: Ding?«
Ich hatte Herzklopfen. Duvalle wusste es nicht. Er wusste nicht, was sich in dem Schädel befand. Sonst hätte er sofort aus mir herausbekommen wollen, woher die Diamanten stammten und ob er noch mehr davon kriegen konnte. Ich hoffte inständig, dass man Felicité inzwischen den Gang zur Toilette erlaubt hatte, wo sie ihre Diamanten verstecken konnte. Besser, die Steine zu opfern als das Leben. Mit rasendem Herzen wagte ich einen Test. Wenn er mich jetzt hinausgehen ließ, dann wusste er nichts.
»Ich erzähle es Ihnen«, sagte ich. »Es ist eine absurde Geschichte. Aber kann ich vorher mal zur Toilette?«
Duvalle deutete auf den Ausgang. Mein Herz klopfte schneller, es konnte offenbar noch zulegen. Als ich die Plane zurückschlug, stand dort einer der jungen Männer aus dem Gemeinschaftszelt, das Sturmgewehr umgehängt. Sein Gesicht war steinern. Vielleicht war er ärgerlich darüber, dass er sich das Fußballspiel nicht weiter ansehen konnte. Aus dem Fernsehzelt tönten die gedehnten Sätze des Kommentators herüber. Die Toilette, zu der mich der Mann brachte, befand sich in einem kleineren Zelt, in dem es mörderisch stank. Zwischen Eingang und Donnerbalken hatte man leere Getränkekisten bis zur Decke hinauf gestapelt.
Ich durfte alleine hineingehen, mein Herzklopfen ließ langsam nach. Ich förderte meine Diamanten zutage und drückte sie in einen der tiefen Risse, die sich in dem trockenen Boden auftaten. Auch den aus meiner Hosentasche legte ich dazu. Kratzte mit dem Stiefel etwas von der roten Erde zusammen und füllte den Riss damit auf. Ich wartete zwei Minuten, dann meldete ich mich zurück. Der stumme Mann mit dem Gewehr begleitete mich wieder in das Zelt des Kommandeurs. Duvalle winkte mich mit der flachen Hand hinein.
»Meine Landsknechte«, nahm er das Thema wieder auf, »das sollten Sie wissen, Herr Jesper, sind beunruhigt über dieses Spielzeug, das Sie bei sich haben. Im Gegensatz zu mir sind sie abergläubisch. Ich muss ihnen zeigen, dass das Ding nicht gefährlich ist. Deshalb schlage ich vor, dass Sie Ihre Geschichte nachher in unserer kleinen Runde zu Ende erzählen.«
Duvalle bedeutete mir, sitzen zu bleiben, und verließ das Zelt.
Der verdammte Schädel. Ich zweifelte nicht daran, dass ein Gespräch in dieser Runde auf meine Kosten geführt werden würde. Durch meinen Kopf gingen schlimme Bilder verschiedener Folterpraktiken, von denen ich in Zeitungen gelesen hatte. Ich versuchte,
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