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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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mich zusammenzunehmen. Um die Diamanten jedenfalls ging es nicht, das hätte er anders eingefädelt. Vielleicht auch nicht um unser Leben, sonst wären wir bereits tot. Möglicherweise würde er versuchen, aus uns Kapital zu schlagen. Dann hatten wir eine Frist, vielleicht sogar eine Chance. Aber wer würde Lösegeld für mich bezahlen?
    Die Festplatte im Laptop summte leise, draußen ratterten die Generatoren. Sie riefen mir Ze Zé in Erinnerung. Ich hätte einen Monat Küchendienst gemacht und den ganzen Tag Perlhühner gerupft, wenn ich hätte zurückgehen können. Sie würden mich schon wieder aufnehmen im »Park«, auch wenn ich mich als Feigling erwiesen hatte. Es waren Menschen, sie wussten, dass man Fehler macht, dass man auch feige sein kann. Ich wusste nicht, wie viel Mut ich besaß, ich hatte mal irgendwo gehört, dass man das erst weiß, wenn man ihn braucht. Und Mut hatte ich in mehr als dreißig Lebensjahren eigentlich nie gebraucht, nicht mehr, als man benötigt, wenn man sich beim Vermieter beschwert. Wahrscheinlich besaß ich von Natur aus keinen Mut, nur sehr geringe Anlagen davon. Vielleicht würde ich mich in Kürze erneut als feige erweisen. Vielleicht war Mut ja auch eine Form von Angst. Angst kannte ich, in verschiedenen Variationen.
    Nach einer Viertelstunde wurde ich abgeholt. Der stumme Mann mit dem Sturmgewehr kam herein und nahm mich mit. Wir gingen schweigend zusammen durch die Dunkelheit, das Zirpen der Grillen war voller Sehnsucht nach einem unversehrten Leben, Leuchtkäfer surrten dorthin, wo sie in Sicherheit waren. Der Mond hing am Himmel, unberührt von allem Menschlichen bis auf ein paar Fußstapfen auf seiner Oberfläche. Die Sterne füllten das Firmament, erstarrt und kalt.
    Unsere Schritte knirschten auf dem sandigen Boden, wir gingen zwischen den zwei Reifenspuren, in der Hand meines Begleiters pendelte das Lichtbündel einer Taschenlampe. Mir kam es vor, als wäre es noch immer sehr heiß, jedenfalls lief der Schweiß an mir herunter. Wir gelangten zu einem flachen, gemauerten Gebäude am Ende der Piste. Aus einem der Fenster drang Licht. Am Eingang stand ein anderer Bewaffneter, er winkte mich stumm hinein. Im Innern des Gebäudes, das aus verputzten Betonmauern errichtet worden war, herrschte blankes Chaos. Die Wände des Flurs, den wir durchquerten, waren von Einschusslöchern übersät, der Boden voller Glasscherben und Gipssplitter, die man in die Ecken gefegt hatte, um den Weg frei zu machen. Türen gab es keine mehr, ausgebrochene Löcher zeigten, wo die Angeln gewesen waren.
    Wir betraten einen großen Raum. Ich sah eine Menge Schulbänke, die an den Rand gerückt waren, die meisten davon waren zerschlagen. Vier Bänke standen in der Mitte. Duvalle saß darauf, zusammen mit seinen drei aufgeputzten Gesellen, jeder auf einem Pult. Und Felicité war da. Sie stand neben Duvalle, und sie war nackt bis auf ihren Slip. Sie hatte die Hände vor ihre Brüste gelegt und starrte mit ausdrucksloser Miene irgendwohin. Von meiner Ankunft nahm sie keine Notiz. Der Raum wurde von den gleichen zischenden Gaslampen erleuchtet, wie sie in den Militärzelten gehangen hatten.
    Duvalle wandte mir sein glattes Gesicht zu und sagte zwei Worte zu meinem Bewacher, der sich daraufhin zurückzog. Dann winkte er mich zu sich heran. Seine Kamarilla hatte sich um einen Dritten erweitert, einen hageren, bärtigen Kerl, mit einer Haut von hellbrauner, fast gelber Farbe. Seine Haare hatte er zu einem Wust von Dreadlocks zusammengedreht, sie hingen von seinem Hinterkopf herunter wie ein Vorrat Putzwolle, und er trug ein T-Shirt mit dem Konterfei von Che Guevara. Die kleinen Augen saßen tief in den Höhlen, seine Nase war schief verheilt und von den Narben irgendeiner Krankheit aufgetrieben wie ein Streuselkuchen. Er hockte auf seinem Pult neben dem Dicken und dem Riesen. Alle drei starrten mich an. Der Dicke mit seinem Dauergrinsen, er bekam wahrscheinlich keinen anderen Gesichtsausdruck hin.
    »Was sagen Sie zu unserem Prüfungskomitee, Herr Jesper?« Duvalle lachte. »Ist das hier nicht eine passende Umgebung, um etwas fürs Leben zu lernen?«
    Ich schaute Felicité nicht an. Dass sie nackt war, dass sie allen preisgegeben war, hinderte mich daran, sie anzusehen. Ich konnte mir den Ausdruck in ihrem Gesicht vorstellen, ich hatte ihn vorhin in dem Dorf voller Löcher bereits wahrgenommen. Als sehe sie etwas, das sonst niemand sieht.
    »Allez«, sagte Duvalle.
    Der hässliche Rastamann erhob sich. Er

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